Der Engelspapst
sich an der Wand hoch und keuchte:
«Verdammt, reden wir miteinander, oder schlagen wir uns? Und wenn wir uns schlagen, warum?»
«Rosin?», ächzte Spartaco Negro. «Was haben Sie mit Ihren Haaren gemacht?»
«Gefärbt. Das wird polizeilich gesuchten Papst-Kidnappern ausdrücklich empfohlen.»
Sein Blick fiel auf eine Sonderausgabe des Messagero, die halb aufgeschlagen auf einem Stuhl lag. Seit Elenas Entführung spuckte die Zeitung täglich Extrablätter mit den neuesten Meldungen und Gerüchten zur «Papstaffäre» aus. Die aktuelle Nummer, die noch herb-süßlich nach Papierleim und Druckerschwärze roch, sprach schon in ihren Überschriften Bände: Angeschossener Papst entführt – Wegen Beihilfe zum Attentat gesuchter Gardist hilft beim Kidnapping – Eindringen der Entführer in den Vatikan für Vigilanzachef unerklärlich –
Privatsekretär des Heiligen Vaters ermordet in Vatikanischen Gärten gefunden.
Offenbar war es den Verschwörern gelungen, den unterirdischen Gang zu verheimlichen.
Spartaco erhob sich und drückte eine Hand gegen den Bauch, mit dem er auf die Hantel geprallt war. «Ich dachte, Sie sind einer von denen. Okay, reden wir.»
«Das ist die bessere Alternative.» Alexander zeigte auf das Ben-Hur- Poster. «Apropos. Der Stummfilm mit Ramon Novarro ist um einiges besser.»
«Weiß ich. Aber versuchen Sie mal, davon ein Originalposter zu ergattern.»
«Verstehe.»
Spartaco, den er mitten aus dem Krafttraining gerissen hatte, fuhr sich über die schweißbedeckte Stirn. «Ich muss was trinken.»
«Gleichfalls.»
Während das Muskelpaket zur Kochnische ging und den großen Kühlschrank aufzog, sah Alexander sich in dem Kellerbunker um. Ein schmales Bett war in eine Ecke gequetscht. Die spartanische Lagerstatt und die Kochnische waren alles, was entfernt an eine Wohnung erinnerte. Der Rest des Raums war zu einer Hälfte ein Bodybuilding-Studio und zur anderen ein mit Computern, Monitoren und Kabeln vollgestopftes Hackerzentrum.
«Meine Recherche-Ecke», sagte Spartaco, als er Alexanders Blick bemerkte. Er stellte eine Flasche Mineralwasser und zwei Plastikbecher auf den dreieckigen Küchentisch.
Alexander setzte sich zu ihm. «Was macht Ihr Bein?»
«Wenn ich nicht dran denke, tut’s gar nicht mehr weh. Was macht der Papst?»
«Ihm tut’s auch kaum noch weh. Wir haben denen einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht.»
«Verrückt.»
«Ist eine lange Geschichte. Wir sollten uns jetzt um Elena kümmern.»
Spartacos Rechte schoss vor und umklammerte Alexanders linkes Handgelenk. Ein Griff wie ein Schraubstock. «Haben Sie eine Spur von ihr?»
«Ich denke, ich weiß, wo sie ist.»
«Warum sind wir dann noch nicht unterwegs?»
«Wir müssen ein paar Vorkehrungen für die Reise treffen.»
«Je eher wir anfangen, desto eher geht’s los. Wohin reisen wir?»
«Auf die Kanalinseln.»
23
Dienstag, 19. Mai
Sark war ein altes Piraten- und Schmugglernest, und genauso sah es aus. Schroff und abweisend reckte sich der steile Fels mit dem Hochplateau aus dem blaugrünen Meer, erhaben über die unablässig anrollenden Wellen, die sich an ihm brachen und zu schaumiger Gischt zerstoben. Möwenschwärme kreisten wachsam über der Steilküste, bereit, sich jederzeit auf das blütenweiße Ausflugsschiff zu stürzen, das vor einer halben Stunde von Guernsey abgelegt hatte. Die schrillen Schreie der Seevögel gingen im monotonen Brummen der Schiffsmotoren unter. Die Castle Cornet war die erste Fähre, die an diesem Morgen Guernseys Hauptstadt St. Peter Port mit Kurs auf Sark verlassen hatte, und entsprechend wenige Passagiere hatte sie an Bord. Die meisten Touristen saßen um die Zeit noch bei Kaffee oder Tee, Schinken, Ei und Würstchen. Vor fünfzehn Minuten hatte die Castle Cornet die kleine Insel Herrn passiert, die näher an Guernsey als an Sark lag, jetzt steuerte sie mit striktem Westkurs ihr Ziel an.
Sark wuchs mit jeder Minute vor dem Bug der Fähre. Einzelne Buchten und Klippen schälten sich aus dem eintönigen Graubraun des Felsgesteins, Stück für Stück enthüllte die Insel ihr Gesicht. Mehrere Gesichter. Die Menschen auf der Castle Cornet erkannten, dass Sark nicht eine kompakte Landmasse war. Der südliche Teil, Little Sark, hing nur über einen schmalen Landstreifen mit dem Rest zusammen. Noch weniger Verbindung zum Hauptteil des Eilandes schien der östlich vorgelagerte Felsen zu haben, auf den die Fähre unbeirrt zuhielt.
«Brecqhou!», sagte Spartaco inbrünstig,
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