Der Engelspapst
Ohne die finanzielle und organisatorische Hilfe der Auserwählten wäre ihnen das alles nicht möglich gewesen.
Alexander, noch immer mit rotblondem Haar, war jetzt Marian Fuchs, freier Handelsvertreter aus München. Er war von Rom mit dem Zug nach München gefahren und von dort per Flugzeug über London-Heathrow nach Guernsey gekommen. Spartaco trat als Claudio Argento auf, von Beruf Wirtschaftsprüfer. Mit seinem neuen Kurzhaarschnitt sah er richtiggehend seriös aus.
Er war von Roms internationalern Flughafen Leonardo da Vinci nach Paris geflogen und hatte dort den nächsten Zug nach Saint-Malo genommen. Von der bretonischen Hafenstadt war es mit einem Fährkatamaran nach Guernsey weitergegangen, wo sie sich gestern Abend getroffen hatten.
Sie wohnten mitten in St. Peter Port, im Pandora Hotel. Ein paar Meter weiter unten auf der langen Hügelstraße Hauteville stand die Maison Victor Hugo, das Haus, in dem der französische Dichter während seiner Exiljahre auf Guernsey gewohnt hatte. Sie hatten das Hotel allerdings nicht aus touristischen, sondern aus rein pragmatischen Erwägungen ausgewählt. Es lag nahe am Hafen und hatte Meerblick. Bei gutem Wetter konnte man die Umrisse von Sark deutlich sehen.
Auf Sark zu wohnen war ihnen zu riskant erschienen. Die Insel war erheblich kleiner als Guernsey und so nah an Brecqhou gelegen – da drohte ihnen viel eher Entdeckung.
Mochte Totus Tuus auch auf Guernsey seine Spione haben, zwischen den Tausenden Touristen waren Alexander und Spartaco auf jeden Fall sicherer.
Die Castle Cornet umrundete die Landzunge Point Robert an Sarks Ostküste und ließ den strahlend weißen Gebäudekomplex des Leuchtturms, der sich festungsartig über den Klippen erhob, hinter sich zurück. Bald verlangsamte die Fähre ihre Fahrt, schob sich vorsichtig zwischen den Boues hindurch und lief in den tidenunabhängigen Hafen La Maseline ein, der ebenfalls an der Ostküste lag, zwischen natürlichen Steilhängen und von Menschenhand errichtetem Mauerwerk.
Zwei Männer von der Bootsbesatzung halfen den Passagieren auf den Kai. Durch einen Felstunnel ging es auf einen unbefestigten Platz, wo traktorgezogene Busse warteten. Nur Traktoren fuhren auf Sark mit Motorkraft. Alle anderen Motorfahrzeuge hatte der Seigneur von der Insel verbannt, und auch Flugverkehr gab es hier nicht. Als die Traktoren die Anhänger mit den Ausflüglern die waldgesäumten Serpentinen zum hundert Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Inselplateau hinaufzogen, war eine dichte Staubfahne ihr ständiger Begleiter. Der Tag versprach warm und sonnig zu werden. Rom mit seinen düsteren Wolken schien Alexander unendlich weit entfernt und doch, wenn er an Brecqhou dachte, bedrohlich nahe.
Auf dem Plateau warteten Pferdekutschen. Wem die nicht zusagten, der ging in das kleine Dorf, um sich ein Fahrrad zu mieten. Oder er machte sich, wie Alexander und Spartaco, zu Fuß an die Erkundung des ruhigen, grünen Fleckens, den Victor Hugo ein Feenschloss voller Wunder und Algernon Swinburne ein berauschendes Eiland genannt hatten. Die beiden Männer aus Rom hatten keinen Sinn für die Naturschönheiten, die sie mit Hilfe einer Landkarte auf fast gerader Linie von Ost nach West durchquerten. Vorbei an stillen Weihern, grasenden Schafen und romantischen Häuschen marschierten sie, die wärmenden Strahlen der allmählich höher kletternden Sonne im Rücken, zur Landspitze von Gouliot. Von hier aus sahen sie direkt nach Brecqhou hinüber und in die tosende Gischt der Gouliot-Passage.
Es war ein in jeder Hinsicht enttäuschender Anblick. Die Granitfelsen an der Ostküste von Brecqhou verbargen den größten Teil der Insel, und nur ein Zipfel des Schlosses war zu sehen. Die Passage, so aufregend das Schauspiel der sich zornig aufbäumenden Wassermassen auch war, wirkte aus der Nähe betrachtet noch viel weniger einladend als von Bord der Castle Cornet aus. Ungerührt schoss Spartaco seine Fotos, mochte der Brodem atomatisierten Wassers auch bis zu ihnen heraufspritzen.
«Sie haben Recht, Spartaco.» Missmutig starrte Alexander in die Schlucht. «Nicht mal Johnny Weissmüller wäre da durchgekommen.»
«Höchstens in einem Boot», erwiderte der Italiener. «Und das wäre noch riskant genug. Von Anlegen könnte nicht die Rede sein, schon gar nicht nachts. Das geht nur an der Westküste.»
Alexander nickte. «Wir brauchen ein kleines, leichtes Boot!»
Ein kleines, leichtes Boot war die Saints Bay, aber auch ein verflucht teures. Der
Weitere Kostenlose Bücher