Der Engelspapst
aufzubauschen, mit ebenso trockenen wie bestimmten Worten ab. Nur einmal geriet er sichtlich in Erregung.
Eine junge Journalistin, deren attraktives südländisches Gesicht Alexander auffiel, fragte: «Was ist mit dem Einbruch in die Waffenkammer der Schweizergarde? In welchem Zusammenhang mit der Mordtat steht dieser Vorfall?»
Der Einbruch war von Wetter-Dietz mit keiner Silbe erwähnt und, soweit Alexander wusste, offiziell der Presse nicht bekannt gegeben worden.
Hilfe suchend kaute der Vatikansprecher an seiner Unterlippe, und dann erklärte er mit unsicherer Stimme: «Dazu kann ich nichts sagen, ich weiß nichts von einem solchen Einbruch.»
Dass er log, war offensichtlich.
4
Sonnabend, 2. Mai
Gelblicher Dunst lag über Rom, als der Kleinbus aus der Porta Sant’Anna auf die Via del Porta Angelica rollte. Die Insassen, junge Männer in Jeans, Pullovern oder Lederjacken, drückten sich tief in die Sitze, und viele schlossen die Augen. Bei dem Wetter hatte die Ewige Stadt ihnen nichts zu bieten. Die meisten wären an diesem nasskalten Morgen froh gewesen, ihre wachfreie Zeit in der Kaserne verbringen zu können, im Fitnessraum oder vor dem Notebook.
Vielleicht war Alexander der Einzige, der sich freute. Als der Bus an der hohen Umfassungsmauer der Vatikanstadt entlangfuhr, erschien ihm das Gelände dahinter wie ein Gefängnis. Die Fahrt zum Sicherheitsunterricht bedeutete ihm eine willkommene Ablenkung. Er hatte kaum schlafen können und seit der Übertragung der Pressekonferenz am gestrigen Nachmittag unaufhörlich gegrübelt.
Beim Abendessen in der Gardekantine war Oberstleutnant von Gunten an Alexander herangetreten und hatte ihm mitgeteilt, man habe keinen Schirm gefunden, den Danegger in der Mordnacht benutzt haben könnte. Aber das habe nichts zu bedeuten. Sollte es bewussten Schirm gegeben haben, könne er auf vielfältige Weise abhanden gekommen sein. Von Gunten hatte ihn zu seiner raschen Genesung beglückwünscht und ihm angeboten, einige Tage Sonderurlaub zu nehmen. Alexander hatte abgelehnt. Er wollte nicht noch mehr Zeit zum Grübeln haben. Lieber wollte er am normalen Gardeleben teilnehmen, insgeheim in der Hoffnung, dabei einen Hinweis zu entdecken, der ihm helfen würde, den trüben Nebel zu vertreiben, der über den Morden lag.
Auf der anderen Seite des Tibers stand der Verkehr kurz vor dem üblichen Morgeninfarkt. Utz Rasser lenkte den Bus mit solchem Geschick durch das Gewühl, als sei er auf Roms Straßen aufgewachsen; und wer in Rom mit dem Auto vorankommen wollte, brauchte Nerven aus Stahl.
Vor dem Polizeiseminargebäude an der Piazza Farnese wäre es eng geworden, hätte es nicht einen abgetrennten und zum Glück unbesetzten Busparkplatz gegeben. Während Utz noch rangierte, entdeckte Alexander den weinroten Fiat Tempra von Commissario Donati. Am Ende der Parkreihe stand ein dunkelblauer Kleintransporter mit dem Schriftzug einer Straßenreinigung. Hinter beschlagenen Scheiben saßen zwei Arbeiter, mit dem zweiten Frühstück und der Morgenzeitung beschäftigt.
«Los, alles raus!», drängte Utz und stieß die Tür auf. «Ich will ins Haus kommen, bevor es zu regnen anfängt.»
Angeführt von Alexander und Utz, stiefelte ein Dutzend unlustiger Gardisten in das Seminargebäude. Der alte Pförtner nickte nur müde, als Utz seinen Spruch aufsagte, und widmete sich wieder den Sportseiten der Zeitung. Der Seminarraum lag im zweiten Stock, die Fenster gingen zu einem spärlich begrünten Innenhof hinaus. Jetzt war davon nichts zu sehen.
Commissario Donati hatte die Rollos heruntergezogen und war damit beschäftigt, einen Diaprojektor einsatzbereit zu machen.
Im Licht der Neonröhren wirkte der Morgen noch trister.
Donati begrüßte sie mit knappen Worten, während er die letzten Vorkehrungen für den Unterricht traf. Seine Bewegungen waren effektiv, wenn auch ungelenk; sein linkes Bein bestand vom Knie an abwärts aus Aluminium oder etwas Ähnlichem. Das Bein aus Fleisch und Blut, das einmal dort gesessen hatte, war von einer Mafiabombe zerfetzt worden, acht Jahre zuvor in Mailand. Donati hatte damals in dem Ruf gestanden, einer der schärfsten und erfolgreichsten Mafiajäger Italiens zu sein. Die Autobombe hatte alles verändert. Donatis Frau und seine beiden Kinder waren umgekommen, er selbst erst nach langer Zeit in den Dienst zurückgekehrt, aber nicht nach Mailand. Jetzt unterrichtete er in Rom junge Polizisten und die Schweizergarde.
Donati war mit seinen Vorbereitungen
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