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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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Herrn 1527 könnte eines fernen Tages von Wichtigkeit sein. Ich ergreife die Feder in der festen Absicht, dass niemand diese Aufzeichnungen zu lesen bekommt außer meinen Söhnen und deren Söhnen. Sie mögen, so schwer sie auch an der Verantwortung vor sich und Gott dem Allmächtigen zu tragen haben werden, entscheiden, ob sie anderen davon künden sollen oder nicht.
    Es ward Nacht, und der Heilige Vater und seine hohen Würdenträger beteten und sangen in der Sixtinischen Kapelle zu Gott dem Herrn um Gnade und Beistand. In bitterem Gegensatz zu ihren heiligen Gesängen stand der Lärm aus der Stadt, diesseits und jenseits der Mauern, wo Verteidiger und Belagerer ihre Vorkehrungen trafen. Vom Hügel des Janikulus, den die Landsknechte und Söldner eingenommen hatten, glomm der Schein unzähliger Feuer Unheil verkündend zu uns herüber. Wir schliefen wenig in dieser Nacht. Auch wer nicht Wache hielt, tat kaum ein Auge zu und dachte bang an das, was der Morgen unweigerlich über Rom bringen würde – den Ansturm der wüsten Meute.
    Kaum schob sich blasses Morgenrot über die östlichen Dächer und Zinnen, da griff der Feind von allen Seiten an. Angetrieben von Trommelschlag und Flötenklang, von Kriegsgeschrei und Spottgesang, wälzte er sich in so großer Zahl und mit solcher Macht vorwärts, dass der Fall unserer Mauern nichts anderes war als eine Frage verrinnender Stunden.
    Die Männer des Herzogs von Bourbon waren über Nacht nicht untätig gewesen und hatten sich aus Weidenruten und den Latten zerbrochener Zäune einfache, aber höchst nützliche Sturmleitern gebaut. Schnell erreichten sie den Tiber, und nur die braunen Fluten hielten sie dort auf. Trossknechte plünderten die Wassermühlen und schleppten schwere Getreidesäcke an Land, bevor sie Feuer an die Gebäude legten. Die Kaiserlichen brachten erbeutete Geschütze in Stellung und erwiderten unseren Beschuss, der große Lücken in ihre Reihen riss.
    Doch Gott im Himmel schien uns verlassen zu haben. Er sandte dichten Morgennebel aus, der den Männern an unseren Geschützen das Zielen unmöglich machte. Verhüllt von den grauen Schwaden konnten die Feinde den Ponte Sisto überqueren und ins Borgo-Viertel eindringen. Nur der Kampf Mann gegen Mann hätte sie jetzt noch aufhalten können, doch dazu waren wir viel zu wenige. Und der Morgennebel hatte sich noch nicht verzogen, als die Feinde der Christenheit in den Vatikan einfielen.
    «Der Papst!», schrie Hauptmann Röist, als die Angreifer Sankt Peter und den Vatikanpalast bedrängten. «Bringt unseren Heiligen Vater in Sicherheit, in die Engelsburg!»
    Der trutzige Koloss von Castel Sant’Angelo reckte seine mächtigen Mauern durch den Nebeldunst wie ein ungeschlachter Riese. Schon einige Monate zuvor, als die aufrührerischen Herren von Colonna durch Rom zogen, hatte Seine Heiligkeit sich dort mit Erfolg verschanzt. In der Burg lagerten Vorräte und Munition für lange Zeit. Im Verlauf der letzten Nacht waren viele große Truhen mit den Habseligkeiten des Papstes und seiner Kardinäle in die Festung geschleppt worden. Alles war vorbereitet, das Haupt der Christenheit erneut an den sicheren Ort zu bringen.
    «Wo ist Papst Clemens?», fragte Kaspar Röist besorgt.
    «Er betet in der Sixtinischen Kapelle, immer noch oder schon wieder», antwortete Herkules Göldli.
    «Dann geht zu ihm und bringt ihn zur Engelsburg», befahl der Hauptmann. «Und benutzt den Passetto!»
    Der Passetto, der kleine Korridor, war ein Teil der alten Stadtmauer Papst Leos IV., den Papst Nikolaus III. zu einem ver-deckten Gang ausbauen ließ, welcher den Vatikan mit der Engelsburg verband. Oben standen römische Bogner und Arkebusiere auf der bezinnten Mauer und schleuderten Pfeile und Bleikugeln in die Menge der immer zahlreicher herandrängenden Feinde.
    Während der Leutnant Göldli mit einer Schar von Guardiknechten zur Sixtinischen Kapelle eilte, warf der Hauptmann Röist sich den heranrückenden Landsknechten entgegen. Dass es Deutsche waren, verriet das laute Geschrei, mit dem sie diesen Luther zum Papst ausriefen.
    Ich selbst hatte von Röist den Befehl erhalten, mich mit einer Rotte Männer in Reserve zu halten, um mögliche Lücken in unserem schwachen Verteidigungsring zu schließen. Und das war auch bitter nötig, denn die Schar des Hauptmanns wurde rücklings von einer zweiten Gruppe Feinde eingeschlossen. Jetzt war es an meinen wenigen Männern und mir, den Hauptmann und die Seinen zu retten.
    Es war ein wüstes

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