Der Engelspapst
Schwert beendete ich die Qualen des Schimmels.
Auch Ueli Zaugg lag noch wimmernd am Boden, die Hände vors Gesicht gepresst. Zögernd hielt ich das Schwert über ihn, doch dann stieß ich es zurück in die Scheide. Ich brachte es nicht über mich, den Waffenbruder zu erlösen. Wir konnten ihn nicht mit uns nehmen, mussten unsere ganze Aufmerksamkeit dem Papst widmen, dem jederzeit neue Gefahr drohen konnte.
Er hatte sich beim Sturz am Bein verletzt und Hans Gutenberg stützte ihn. Ich ging mit wachsam erhobener Hellebarde voran, und wir erreichten den Passetto gerade rechtzeitig, um einem neuen spanischen Sturmangriff zu entkommen.
Bevor ich in das kühle Gemäuer des Fluchtgangs eintauchte, erkannte ich draußen noch Abbas de Naggera, der jetzt im Sattel eines Rappen saß und seine Männer mit lautem Schreien antrieb.
Er begriff, dass seine Beute ihm entwischt war, und sein zorniger Blick erschien mir schlimmer als das Mündungsfeuer einer Feldschlange.
Die Schützen über uns auf der Mauer hielten die Spanier auf, während unter dem Befehl des Herkules Göldli der Rest der Guardiknechte den Passetto betrat und den Fluchtweg hinter sich verschloss. Endlich erreichten wir die Engelsburg, wo sich Soldaten und geflohene Römer ängstlich zusammendrängten. Der Anblick des geretteten Papstes gab ihnen neuen Mut. Mir aber war elend ums Herz, als Herkules Göldli uns zum Zählappell antreten ließ: Von 189 Schweizern waren nur 42 übrig.
Der Vatikan war in Feindeshand, und über dem Palast wehte Kaiser Karls gelbe Flagge mit dem doppelköpfigen schwarzen Adler. Außer den festen Mauern der Engelsburg schien ganz Rom von den Kaiserlichen überrannt. Die Morgennebel hatten sich verzogen, als ich neben Herkules Göldli und Hans Gutenberg auf der Matthäus-Bastion stand und Ausschau hielt.
Überall loderten Feuer und stiegen Rauchsäulen auf, die sich über Rom zu finsteren Wolken zusammenballten.
Vergebens trachteten die Feinde danach, auch die Engelsburg zu nehmen. Ohne Unterlass schlugen unsere Geschütze breite Breschen in die Scharen von Söldnern und Landsknechten. Das Haupttor der Burg stand offen und gewährte den Schutz suchenden Römern Einlass. Armselig und bemitleidenswert wirkten die verängstigten, von Wunden gezeichneten und vom Feuer geschwärzten Gestalten, die sich, oft mit letzter Kraft, durch den Toreingang schleppten.
Während unsere Bastionen mit ihren Hauptbüchsen, Kartaunen, Haufnitzen und Feldschlangen die Masse des Feindes von der Engelsburg fern hielten, versuchten kleine, teils berittene kaiserliche Stoßtrupps, die den Geschossen zu entgehen vermochten, im Schutz des Flüchtlingsstroms in unsere Festung einzudringen. Einer dieser Trupps – schon wieder die verwünschten Spanier – gelangte gar bis vor das Tor.
Es war eine Reiterschar und in ihrer Mitte erblickte ich Abbas de Naggera. Er trug noch die schwarze Kutte, aber die Kapuze war ihm vom Haupt gerutscht.
Ich ließ Göldli und Gutenberg einfach stehen und rannte, einen unchristlichen Fluch ausstoßend, über den Wehrgang zum Tor, wo ich den Torhüter anbrüllte, er solle endlich das Fallgitter herunterlassen.
Tatsächlich hatte sich die Schar des finsteren Spaniers erklecklich vergrößert. Ein ganzer Haufen Fußkämpfer hatte sich, wie aus dem Nichts gekommen, zu ihm gesellt. Vermutlich hatten sie sich als Flüchtlinge ausgegeben. Allein unseren Armbrustern, die in den beiden Prozessionskapellen am Brückenkopf postiert waren und deren Bolzen reiche Ernte unter den Spaniern hielten, war es zu verdanken, dass die listigen Angreifer nicht durch das Tor kamen.
Endlich rasselte das Fallgitter zu Boden, und die letzten Flüchtlinge gelangten gerade noch hindurch. Das scharfe Gesicht des Herrn de Naggera, der abermals so kurz vor dem Ziel gescheitert war, verzerrte sich vor Wut.
Ich entriss einem Arkebusier zu meiner Linken, der gerade nachgeladen hatte, die Waffe und legte auf den Spanier an. Eins glaubte ich fest: Dieser Mann war ein Dämon, oder doch zumindest beinahe. Ihn vom Antlitz dieser Erde zu tilgen schien mir ein größeres Verdienst zu sein als das Töten von hundert Söldnern. Kaum sah ich den Schwarzen vor meinem Lauf, drückte ich ab.
Eine Pulverwolke hüllte mich ein und biss in meine Augen, dass sie tränten. Als ich wieder klar sehen konnte, hatte Abbas de Naggera alle Mühe, sein scheuendes, aufsteigendes Ross wieder unter seinen Befehl zu bringen. Offenbar war meine Kugel dicht bei dem Rappen
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