Der Engelspapst
geheimen Zauber jede Furcht genommen. Vielleicht aber war der Schrecken, der von ihm ausging, auch viel größer als jede Todesfurcht.
Der Schimmel scheute und durchbrach mit lautem Wiehern die Reihen der unermüdlich Kämpfenden. Hätte Papst Clemens sich nicht an der Mähne festgehalten, wäre er wohl aus dem Sattel geschleudert worden. Einige Spanier verfolgten ihn.
Ich sammelte die wenigen Männer um mich, die aus meiner Rotte und des Kaspar Röists Schar noch übrig und zum Kämpfen in der Lage waren, und wir eilten dem Heiligen Vater entgegen.
Ein Spanier blieb stehen, legte die Armbrust an, zielte kurz und schoss. Schon glaubte ich den Heiligen Vater verloren, doch der Bolzen fuhr in den Hals des Schimmels. Das Ross strauchelte unter verzweifeltem Gewieher und kam zu Fall.
Papst Clemens wurde aus dem Sattel geschleudert und stieß gegen eine Mauer.
Zwei Feinde sprangen über das kläglich schreiende, sich am Boden wälzende Ross und erreichten den sich mühsam aufsetzenden Papst als Erste. Ungehindert hätten sie mit ihren blutverschmierten Klingen sein Leben auslöschen können, aber seltsamerweise schienen sie das nicht zu wollen. Sie zerrten den Papst auf die Füße, wollten ihn offenbar lebendig fangen. Als Clemens das erkannte, wehrte er sich und riss sich los. Er stolperte und fiel abermals an der Mauer zu Boden.
Mit zwei Gefährten, dem Hans Gutenberg aus Chur und dem Ueli Zaugg aus Glarus, erreichte ich den Schauplatz. Unsere Übermacht schien für den Heiligen Vater die Rettung zu sein.
Da blieb der Ueli mit einem erstickten Aufschrei stehen, ließ sein Schwert fallen und fasste mit beiden Händen an seinen Kopf. Der spanische Armbruster hatte nachgeladen und seinen Bolzen meinem Kameraden ins linke Auge gejagt. Der Unglückliche fiel zu Boden und wand sich in heftigen Schmerzen. Der verwünschte Armbruster ließ die Waffe fallen und zog einen Katzbalger, um seinen Kameraden zu Hilfe zu eilen. Nun war die Übermacht auf deren Seite.
Der Gedanke an meinen verwundeten Gefährten machte mich rasend, und ich sprang dem Armbruster entgegen. Meine Hellebarde besaß eine größere Reichweite als sein Schwert.
Noch bevor er seine Kameraden erreichte, durchtrennte meine Beilklinge seinen Hals, und sein Haupt rollte über den Boden.
Der kopflose Spanier, aus dessen Hals das Blut sprudelte, blieb aufrecht stehen und hob noch den Katzbalger zum Schlag, bevor er endlich zusammenbrach und sein verdientes Ende nahm.
Hans Gutenberg musste derweil sich und den Papst gegen die beiden anderen Feinde verteidigen. Als er abermals die Hellebarde schwang, um den Schwerthieb des einen abzuwehren, erachtete der andere Spanier die Gelegenheit für günstig, den Hans mit seiner Partisane zu durchbohren. Ich kam gerade noch zur rechten Zeit und konnte den Partisanenschaft mit einem schnellen Hieb zerschmettern. Während der hohlwangige Söldner überrascht auf seine zerbrochene Waffe starrte, rammte ich ihm meine Stahlspitze in den Unterleib. Er brach zusammen und jaulte wie ein geprügelter Hund.
Nun hatte Gutenberg sich von dem zweiten Spanier gelöst und riss ihn mit dem Hellebardenschaft von den Füßen. Eine geschickte Drehung und ein daraus hervorgehender Schlag mit der Beilklinge, und er spaltete dem Söldner das Haupt.
Unser Heiliger Vater dankte Hans und mir mit überschwänglichen Worten.
Noch einmal hatten es unsere tapferen Schweizer Guardiknechte geschafft, den Feind zurückzudrängen. Der Weg zum Passetto war frei, der düstere Abbas de Naggera nirgends mehr zu erblicken. Als habe er sich in Luft aufgelöst, nachdem sein finsterer Plan fehlgeschlagen war. Tote und Verwundete bedeckten den heiligen Boden des Vatikans. Darunter viele, die manches Mal Seite an Seite mit mir gefochten hatten. Ein ganzer Haufen Gefallener lag nahe der Basilika rund um den großen Obelisken mit der goldenen Kugel, in der die Asche des Julius Caesar ruhte.
Vergebens suchte ich nach der Leiche des düsteren Spaniers und eine unheilvolle Ahnung beschlich mich: Er war weder gefallen noch geflohen, vielmehr hatte er sich zurückgezogen, um mit stärkerer Söldnermacht zurückzukehren. Abbas de Naggera wollte Papst Clemens zweifellos lebendig in seine Gewalt bringen, aus einem Grund, den wohl nur sie beide kannten.
Das laute Krachen einer Kanone irgendwo in unserer Nähe riss mich aus meinen Betrachtungen und ich rief: «Hans, wir müssen die Gelegenheit nutzen. Bringen wir Seine Heiligkeit in die Engelsburg!»
Mit meinem
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