Der Engelspapst
eingeschlagen.
«Der Schuss war nicht schlecht, aber viel zu hastig ausgeführt», posaunte eine muntere Stimme in meinem Rücken.
Sie gehörte einem mit jungenhafter Frische auftretenden Burschen, unter dessen schief sitzender Mütze sich unbändige Locken hervorkringelten. Seine eigentlich ausgesuchte Kleidung war schmutzig und an einigen Stellen zerrissen, sein Gesicht pulvergeschwärzt. In der Hand hielt er eine Arkebuse mit spiegelglattem Rohr. «Ihr habt alle Anlagen zu einem guten Schützen, mein guter Schweizer, aber Ihr müsst noch lernen, Euch nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Hättet Ihr ein wenig länger gezielt, hättet Ihr statt zwischen die Hufe des Rappen genau zwischen die Augen des Reiters getroffen. Ich nehme doch an, dass Ihr es auf den seltsamen Kauz im Kapuzenmantel abgesehen hattet.»
«Ja, das hatte ich», brummte ich.
Es ärgerte mich, dass ich den Schuss vertan hatte. Abbas de Naggera hatte sein Ross wieder in der Gewalt und zwang es von unserer Burg fort in Richtung Vatikan. Seine Männer folgten ihm. Ich war sicher, dass ich ihm nicht zum letzten Mal begegnet war.
Zudem ärgerte es mich, dass der freche Kerl, der mit der letzten Flüchtlingsgruppe hereingelangt war, sich anmaßte, mir Ratschläge zu erteilen. Er war keineswegs ein Soldat, sondern ein Goldschmied und Bildhauer. Ich kannte sein Gesicht und seinen Namen, weil er für Papst Clemens arbeitete. Benvenuto Cellini stammte aus Florenz, wo er sich jedoch, wie man erzählte, wegen allerlei Händel nicht blicken lassen durfte.
Allerdings trug er die Arkebuse nicht zur Prahlerei mit sich herum. Er sollte ein beachtlicher Schütze sein und war während der großen Pest, um der verseuchten Stadt zu entfliehen, in die Ruinen gegangen, wo er seine Schießkünste bei der Jagd auf Tauben vervollkommnet hatte.
«Dieser seltsame Spanier auf dem Rappen scheint der Anführer der Meute gewesen zu sein, ein wichtiger Mann offenbar.»
Cellini plauderte drauflos, als sei dies ein Tag wie jeder andere, als seien wir nicht von Tausenden Feinden umgeben. «Wirklich zu schade, dass Ihr nicht getroffen habt, sonst hätten diese Hunde da draußen heute zwei gewichtige Führer verloren.»
«Wie meint Ihr das?», brummte ich unwillig.
«Nun, da Ihr so freundlich fragt, werde ich es Euch gern erzählen.» Er stellte sich in Positur, als wollte er seine Botschaft einer riesigen Menge verkünden. «Heute Morgen war ich im Haus des Alessandro del Bene, der mich und meine Freunde gebeten hatte, sein Anwesen zu bewachen. Mein Freund Alessandro und ich, wir gingen mit zwei Begleitern auf Kundschaft, um herauszufinden, wie weit die kaiserlichen Mörder vorgerückt waren – und wären am Campo Santo beinahe mitten unter sie geraten. Wir dachten daran, uns zu unserer Sicherheit zurückzuziehen, aber ich wollte das Feld nicht kampflos räumen und schlug vor, dem gottverfluchten Feind wenigstens eine hübsche Salve hinüberzuschicken. Es wurden sogar zwei Salven daraus, wobei ich auf einen Mann zielte, der sich trotz des Nebels deutlich über die anderen erhob. Vielleicht saß er zu Pferd, vielleicht sah ich ihn auch deshalb so deutlich, weil er ein weiß leuchtendes Gewand über seiner Rüstung trug.
Der Mann fiel und seine Leute machten ein gehöriges Geschrei darum. Auf dem Rückzug teilte ein römischer Soldat uns mit, dass mein Blei in den heimatlosen Herzog gefahren war.»
«In den Herzog Karl von Bourbon?», fragte ich atemlos.
Cellini lächelte selbstzufrieden. «In ebenden.»
«Und … ist er tot?»
«Seine Verwundung war so schwer, dass er ihr bald erlegen ist. Wenn Ihr mich fragt, hätte der Anführer dieser Schändermeute ruhig länger leiden können.» Cellini stieß einen tiefen Seufzer aus. «Sei’s drum. Gottlob, und das ist die Hauptsache, ist er hinüber!»
Er schien sich wahrlich zu freuen, mir aber schwante Böses.
Seit Georg von Frundsberg seine Landsknechte verlassen hatte, geriet der Söldnerhaufen immer mehr aus der Ordnung. Unsere Kundschafter hatten berichtet, dass Frundsberg im März vergeblich versucht hatte, seine über das Ausbleiben ihres Soldes erbosten Knechte zu beschwichtigen. Ihr Aufruhr hatte ihn derart erregt, dass ihn der Schlag getroffen hatte. Seiner Sprache und Kraft beraubt, hatte der alte Jörg zurück nach Ferrara gebracht werden müssen. Seitdem hatte Karl von Bourbon das Heer mehr schlecht als recht geführt. Die Männer schienen ihm nur zu gehorchen, weil es ihnen eben gefiel. Immerhin, er wäre
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