Der Engelspapst
verändern, und sämtliche Mühe wäre vergebens gewesen. Obgleich ich nicht wusste, welchen Verrat Ossori begangen hatte, schickte ich ein Stoßgebet gen Himmel, die Kugel möge ihr Ziel treffen.
Und dann krachte der Schuss. Eine Rauchwolke hüllte uns ein und nahm uns die Sicht. Wir wedelten mit den Händen, um den Rauch zu vertreiben, und starrten mit großen Augen zum anderen Ufer hinüber. Was wir sahen, war so unglaublich, dass es nur auf eine Weise zu erklären war: Gott musste tatsächlich mit uns sein!
Der Falbe stieg aufgeschreckt mit den Vorderbeinen in die Luft und niemand hielt den Zügel. Nur der Unterleib mit den Beinen saß noch im Sattel, der übrige Teil des Spaniers fehlte.
Als der Eisenkugel keine weiteren Geschosse folgten, kamen die kaiserlichen Soldaten langsam aus der Deckung und scharten sich aufgeregt um eine Stelle am Boden.
Der Papst starrte mit zusammengekniffenen Augen auf den Ort des Tumults und stellte mit befriedigtem Aufseufzen fest:
«Gelobt sei der Herr, dort liegt der Rest des Verräters!»
Erstaunt wandte ich mich an Cellini: «Wie ist das nur möglich?»
Der Goldschmied selbst schien nicht minder überrascht. «Ich weiß nicht recht. Vielleicht war es das Schwert. Er hat es mit blanker Klinge getragen; mag sein, dass es, von der Kugel getroffen, den Mann durchgeschnitten hat.»
Im Lager der Spanier herrschte kein geringerer Aufruhr als bei uns. Es entsetzte sie, dass wir auf so große Entfernung einen ihrer Hauptleute in zwei Teile zerlegt hatten. In der Engelsburg hingegen, wo die Nachricht rasend schnell die Runde machte, brach lauter Jubel aus, als hätte Cellini mit seinem Schuss sämtliche Feinde erlegt.
Der Papst sah den Bombardier hochzufrieden an. «Kommt mit mir, Meister Cellini. Wir haben etwas zu besprechen.»
Als der Goldschmied an mir vorüberging, zwinkerte er mir mit einem Auge zu und flüsterte: «Fünfundzwanzig Scudi!»
Nach einer halben Stunde kehrte er auf die Engelsbastion zurück und wirkte gar nicht mehr so frohgemut.
«Was ist mit Euch?», fragte ich. «Hat Seine Heiligkeit Euch den versprochenen Lohn vorenthalten?»
«Nein, ich habe mehr bekommen, als der Papst mir versprochen hat.»
«Dann solltet Ihr Euch freuen.»
«Was ich zusätzlich erhielt, ist kein Silber, sondern ein Auftrag.»
«Was für ein Auftrag?»
Cellinis besorgte Züge hellten sich auf und er bedachte mich mit einem vieldeutigen Grinsen. «Geht und fragt den Papst. Er selbst will es Euch sagen.»
«Der Papst? Was will er von mir?»
«Wenn Ihr so neugierig seid, Schweizer, dann nehmt die Beine in die Hand!»
Ich befolgte den Rat und traf Clemens in seinem Speisesaal, wohin Fabien Maurois mich führte. Der Franzose ließ uns allein, und der Papst unterbrach meine Ehrbezeugungen mit einer Handbewegung.
«Lass das, mein Sohn, wir sind unter uns. Setz dich und iss mit mir. Du musst dich stärken für das, was vor dir liegt.»
Der Tisch war in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um die Tafel Seiner Heiligkeit handelte, einfach gedeckt: gebratenes Huhn, Brot, Bohnen, geschmorte Zwiebeln und Birnen in süßem Saft, dazu Wein und Wasser. Auch der Papst litt unter den Beschränkungen des Belagerungszustands. Da wir alle in den vergangenen Tagen spärlich gelebt hatten, hätte ich die Einladung wohl durch herzhaftes Zugreifen ausnutzen sollen.
Jedoch verspürte ich keinen rechten Appetit, was an der ungewohnten Tischgesellschaft liegen mochte, vor allem aber an der Ahnung, dass der Heilige Vater eine nicht unbedingt angenehme Mitteilung für mich hatte.
Während er Huhn und Zwiebeln aß, zeigte er wie beiläufig auf eine abgeschabte, eisenbeschlagene Holzschatulle und sagte kauend: «Hier drin ruht das größte Geheimnis der Christenheit, die Macht, die über unser aller Seelenheil entscheidet.»
Ich betrachtete den unscheinbaren Kasten, der nicht größer war als eine Hand. Ihn anzufassen wagte ich nicht. Zudem war er durch drei Schlösser gesichert, sodass ich den Inhalt nicht hätte erspähen können.
«Frag nicht, was es ist», kam Clemens mir zuvor. «Deine Aufgabe ist nur, diese Schatulle zu beschützen und heil wieder zurückzubringen. Zusammen mit Meister Cellini.»
«Zurück? Aber …»
«Heute Nacht werdet ihr beide die Engelsburg verlassen», fuhr mein Gastgeber unbeirrt fort. «Es ist eine gefährliche Mission, von der nicht nur unser aller Wohl und Wehe hier in der Burg abhängt, sondern auch der Fortbestand der Christenheit. Als du mir beim Rückzug in
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