Der Engelspapst
gewandet und das blanke Schwert in großspurigem Gehabe quer vor die Brust geschnallt.
Die Unterhändler wurden in die Burg gelassen und zum Papst geführt, wo sie wohl eine Stunde blieben. Dann traten die Hauptleute ins Freie zu ihren Pferden und schienen auf jemanden zu warten. Zwei von ihnen fehlten: die Spanier Abbas de Naggera und Rufino Ossori. Als auch sie endlich auf den Hof traten, waren ihre Gesichter verschlossen. Offenbar war ihre Unterredung mit Papst Clemens nicht zu ihrer Zufriedenheit ausgegangen. Nachdem sie ein paar Worte mit den wartenden Hauptleuten gewechselt hatten, saßen sie alle auf und ritten über die Engelsbrücke zum anderen Tiberufer hinüber. Das Funkeln in Cellinis Augen verriet, dass er nur zu gern ein paar Geschosse mitten in den Trupp gesandt hätte.
Während die Reiter sich jenseits der Brücke aufteilten und in verschiedene Richtungen zerstreuten, erhielten wir auf der Engelsbastion hohen Besuch. Clemens selbst erschien, an seiner Seite Herkules Göldli und Fabien Maurois, der vom Stallknecht zum engsten Berater des Papstes aufgestiegen war. Die Kardinäle waren ob unserer aussichtslosen Lage derart zerstritten, untereinander und mit dem Heiligen Vater, dass Maurois’ Rat ihm mehr galt als alles, was seine Purpurträger vorzubringen hatten.
Clemens sah verzweifelt aus, niedergeschlagen und zornig zugleich. Der hoch gewachsene Mann ging gebeugt und erschien dadurch viel kleiner. Seine Wangen waren von einem Bart bedeckt, den er nicht mehr scheren ließ, seit Rom den Kaiserlichen in die Hände gefallen war.
«Ist der Verräter noch zu sehen?», rief er mit vor Erregung bebender Stimme.
«Von wem sprecht Ihr, Heiliger Vater?», fragten Cellini und ich wie aus einem Mund.
«Von diesem hinterhältigen Spanier, Rufino Ossori! Er war kein Dieb, wie wir dachten, jedenfalls nicht im üblichen Sinn. Er war nicht auf Gold und Silber aus, sondern auf das Geheimnis …»
Der Papst schwieg plötzlich, als habe er in seiner Erregung zu viel gesagt.
Ich hatte die Stirn mit der flachen Hand beschattet und Ausschau nach Ossori gehalten. Tatsächlich entdeckte ich ihn im Schatten der großen Handelsniederlassungen, wo er sich von seinen Begleitern getrennt hatte. Er hatte den Falben angehalten und redete unter großtuerischem Gestikulieren auf eine Gruppe Soldaten ein. In seiner rosafarbenen Geckentracht war er gut zu erkennen.
Als ich Seine Heiligkeit auf ihn aufmerksam gemacht hatte, wandte der Heilige Vater sich an den Goldschmied: «Könnt Ihr ihn treffen, Meister Cellini?»
«Ihr meint, mit meinen Geschützen?»
«Womit sonst!», schnaubte der Papst.
Cellini beschattete ebenfalls seine Augen und starrte über den Tiber. «Es ist weit, aber es müsste möglich sein, vorausgesetzt, die Menge Pulver, die Schwere des Geschosses und die Ausrichtung des Geschützes stimmen.»
«Dann sorgt dafür, dass alles stimmt!», befahl der Papst.
«Fünfundzwanzig Scudi für Euch, wenn Ihr den Verräter trefft!»
Seine Augen glühten. In diesem Augenblick wirkte er nicht wie unser Heiliger Vater, sondern war ganz und gar ein zu allem entschlossener Feldherr des Hauses Medici. Einer, der gegen einen einzelnen Mann zu Felde zog.
Die in Aussicht gestellte Belohnung war fürstlich zu nennen.
Für die Summe hatte ein einfacher Dienstbote zwei Jahre zu arbeiten. So ging Cellini denn auch mit wahrem Feuereifer an seine Aufgabe und wählte unter seinen fünf Hauptstücken des geeignete Geschütz aus. Er erteilte den Männern an den Geschützen Befehle, als habe er sein Lebtag nichts anderes getan.
Genau bemaß er die Pulvermenge, die mit der Ladeschaufel ins Rohr befördert wurde, und wählte eigenhändig unter den Eisenkugeln die richtige aus. Dann gab er Anweisungen, das Rohr durch das Eintreiben von Keilen zu richten, und erklärte dem Papst: «Wegen der weiten Entfernung muss ich im hohen Bogen schießen, was ein schwieriges Unterfangen ist.»
«Aber Ihr werdet doch treffen?», erkundigte Clemens sich besorgt.
«Ja, so Gott mit mir ist.»
«Das ist er, mein Sohn. Dieser Mann dort drüben hat die heilige Kirche und damit unseren Gott im Himmel verraten.»
«Na, dann will ich’s ihm geben!», knurrte der Goldschmied und legte die Zündrute mit der glimmenden Lunte an die Zündpfanne.
Mein Blick flog zwischen Cellini und Ossori hin und her, und eine eigenartige Spannung ergriff mich. Jeden Augenblick konnte der Spanier sich bewegen, mochte der Falbe durch ein Tänzeln seine Stellung
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