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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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eine junge Frau sich erhob, den Kopf mit dem kurz geschnittenen Haar kämpferisch vorreckte und fragte: «Monsignore Wetter-Dietz, stimmt es, dass der Heilige Vater, als er noch Erzbischof von Marseille war, ähnliche angebliche Wundertaten vollbracht hat? Ich bin im Besitz von alten Pressemeldungen, die das belegen.»
    Die starre Maske des Monsignore zerfiel. Für zwanzig, dreißig Sekunden zeigte sich Erstaunen in seinem Gesicht, Erschrecken.

    Die Hände, die er zuvor ruhig gefaltet hatte, zuckten unbeherrscht.
    «Die Presseerklärung … ist beendet!», brachte er schließlich stammelnd hervor. Dann erhob er sich und verließ den Raum wie von Dämonen gehetzt.
    Eine Fernsehkamera zoomte auf die Fragestellerin. Ihre Mundwinkel waren spöttisch nach oben gezogen und ihre grünen Augen blitzten triumphierend auf. Es war Elena Vida.

    Als er auf dem Glockenturm stand und durch eine der bogen-förmigen Öffnungen nach Rom hinüberblickte, war er froh, wieder in den Bergen zu sein. Er hatte den kurzen Aufenthalt im Vatikan als bedrückend empfunden, was nicht nur an dem Wolkengespinst lag, das sich über der Ewigen Stadt zusammenzog. Hier draußen schien die Abendsonne, aber trotzdem war ihm kalt ums Herz. Die Bedrohung, die vom Vatikan ausging, streckte ihre unsichtbaren Finger auch nach ihm aus, spätestens seit Heinrich Rosins überraschendem Besuch.
    Pater Giorgio Borghesi bückte sich, hob die lose Bodenplatte an und zog die Metallkassette aus ihrem Versteck. Er hatte sie auf den Glockenturm gebracht, bevor er nach Rom fuhr. Seine Schlafkammer erschien ihm als Aufbewahrungsort nicht sicher genug. Natürlich hätte er das Buch auch mitnehmen und dem jungen Rosin übergeben können. Vielleicht wäre er dann aller Sorgen um Heinrich Rosins Vermächtnis ledig gewesen. Aber das hatte er zu riskant gefunden. Im Vatikan, im Herzen der Verschwörung, war Albert Rosins Geheimer Bericht nicht sicher. Gerade darum hatte Oberst Rosin die Kassette ja in die Berge gebracht.
    Jetzt zweifelte der Pater an der Richtigkeit seines Handelns. Er war zu Alexander Rosin gefahren, weil er geglaubt hatte, das Buch aus dem sechzehnten Jahrhundert sei bei einem Angehörigen der Familie Rosin am besten aufgehoben. Was aber, wenn der Gardeadjutant sich als zu jung, zu wenig gefestigt erwies? Konnte der Neffe des ermordeten Kommandanten da bestehen, wo sein Onkel versagt hatte?
    An jenem Abend, als er die Kassette geöffnet hatte, war Borghesi mit seiner Lektüre nicht über das erste Drittel der Aufzeichnungen hinausgekommen. So groß sein Drang, die ganze Geschichte zu erfahren, auch gewesen war, seine Angst vor dem Wissen um das Geheimnis Albert Rosins hatte gesiegt.
    Jetzt aber, da er erneut alles in Zweifel zog, hatte er sich entschieden, auch den Rest zu lesen. Wenn Alexander Rosin versagte, war es vielleicht an ihm, Giorgio Borghesi, dem Bösen entgegenzutreten.
    Also öffnete er die Kassette abermals, schlug das Buch auf und vertiefte sich in Albert Rosins Bericht.

    Geheimer Bericht des Guardiknechts
    Albert Rosin aus Zürich über die
    merkwürdigen Ereignisse, deren Zeuge
    er zu Zeiten der Heiligen Liga von
    Cognac in Rom und andernorts wurde
    Dessen zweiter Teil
    Armes, gebranntes, geschändetes Rom! Wer noch Tränen hatte, mochte weinen ob all der grausigen Untaten, die sich unter unseren Augen abspielten. Wir anderen standen Tag um Tag und Nacht um Nacht auf den Mauern der Engelsburg und mussten hilflos mit ansehen, wie der Stadt und ihren Bürgern Gewalt und Spott zuteil wurden. Ganze Straßenzüge gingen in Flammen auf. Nur die großen Paläste, in denen die Reichen und Edlen sich mit ihrem Gefolge verschanzt hatten, blieben verschont, bildeten steinerne Inseln in dem Meer aus Feuer. Das hatte seinen guten Grund, wie wir bald erfuhren. Die Eingeschlossenen wurden von den Belagerern um hohe Lösegelder erpresst, so mancher nicht nur einmal. Und viele Paläste wurden, wenn in ihnen nichts mehr zu holen war, schließlich doch gestürmt und verwüstet. Ein paar wenige Glückliche, die dem Mordbrand entkamen und in unsere Burg gelangten, berichteten davon.
    Wir sahen das Leid der Menschen, die man auf offener Straße zu Tode quälte. Und noch des Nachts hörten wir die erbärmlichen Schreie der geschändeten Frauen, der adligen Töchter und der frommen Nonnen, die man aus den Klöstern gezerrt und zur bösen Freude der Besatzer zusammengetrieben hatte. Gaben die Spanier sich dem Foltern und Morden auf besonders grausame Weise hin,

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