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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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schnell wie möglich krochen wir voran, und irgendwann war es mir gleichgültig, ob der Schacht jemals ein Ende nehmen würde. Meine Lungen, in die kaum noch frische Luft gelangte, brannten, und heftiger Schwindel überfiel mich wie ein Rausch. In diesem Rausch, der dem nach einem Übermaß an Wein ähnelte, wollte ich sterben.
    Etwas packte mich und zog mich mit sich. Undeutlich nahm ich wahr, dass es aufwärts ging, dass ich mich nicht länger bücken musste wie der Höfling eines osmanischen Herrschers.

    Und endlich drang wieder Luft in meine Lungen, sodass ich gar nicht mehr aufhören wollte, schnell und heftig Atem zu schöpfen. Durch die nassen Sehgläser erblickte ich Cellini, und obwohl sein Gesicht durch die Lederhaube verhüllt war, hätte ich schwören können, dass er grinste. Was mich weniger ärgerte als der Umstand, dass ich ausgerechnet ihm mein Leben verdankte. Hätte er mich nicht nach oben gezogen, wäre ich in dem gottverdammten Abflussrohr erstickt.
    Eine Welle hob mich an, und mein Kopf wurde über die Wasseroberfläche getragen. Ich sah den Lederschlauch mit der handtellergroßen Korkscheibe, die das obere Schlauchende über Wasser hielt. Und ich sah die düsteren Mauern der Engelsburg, die weiter hinten mit dem Nachtdunkel verschmolzen.
    Vereinzelte Feuer hinter den Wällen sandten einen unwirklichen Lichtschein aus.
    Meine behandschuhte Rechte griff nach einem steinernen Brückenpfeiler, die Strömung sollte mich nicht fortschwemmen.
    Der Pfeiler gehörte zu der Arkade, die der Burg am nächsten liegt. Zum anderen Ufer, wo das Licht zahlreicher Feuer von den Belagerern kündete, war es noch weit. Neben mir zeigte Cellini zum linken Ufer. Ich nickte zum Zeichen, dass ich bereit war, und wir begannen unseren ungewöhnlichen Marsch.
    Unsere bleigefüllten Schuhe hielten uns am Grund des Flusses.
    Mal waren wir bis zum Kopf von Wasser eingeschlossen, dann wieder, wo der Tiber weniger tief war, lugten unsere Häupter hervor. Wir hielten uns im Schatten der Engelsbrücke, die uns auch unter Wasser Orientierung bot. Meine Bewunderung für den verstorbenen Meister Leonardo war grenzenlos. Schon dass Cellini und ich unter Wasser atmen konnten, war ein Wunder.
    Aber mehr noch, die schwere Lederkluft war im Wasser tatsächlich kaum hinderlich. Zwar konnten wir nicht so schnell laufen wie ein Mann an Land, doch kamen wir zügig voran. In einer Hand hielt ich die Lanzenstange, mit der ich den Boden vor mir nach abgründigen Tiefen untersuchte, mit der anderen fuhr ich, die Finger gespreizt, durchs Wasser, und die feinen Lederhäute, die sich zwischen den Fingern spannten, beschleunigten mein Vorankommen.
    Nachdem wir die letzte Arkade erreicht hatten, bewegten wir uns von der Brücke fort. Am Brückenkopf hatten die Kaiserlichen eine starke Wache aufgestellt, was es selbst im Schutz der Nacht höchst unklug erscheinen ließ, ausgerechnet hier den Fluss zu verlassen. Für dieses Unterfangen wählten wir eine abgeschiedene Einbuchtung aus, deren dichter Bewuchs uns vor den Blicken der Landsknechte und Söldner schützte.
    Das Ufer war hier sehr steil und in den schweren Lederanzügen kaum zu erklimmen. Nun kamen uns die mitgeführten Lanzen zupass. Die gekrümmten Eisenspitzen fanden am Ufer Halt, sodass wir uns an den Schäften aus dem Wasser ziehen konnten.
    Gerade wollte ich Gott dem Herrn für seine Gnade danken, da lösten sich vier Gestalten aus dem Schatten einiger Silberweiden. Drei Landsknechte schleppten eine junge, sich heftig sträubende Frau zum Ufer, entweder um ihr Gewalt anzutun oder um sie zu ersäufen. Als sie uns erblickten, blieben die Soldaten stehen, Augen und Münder weit aufgerissen. Wir mussten ihnen wie Fabelwesen erscheinen.
    «Die Dämonen der Nacht entsteigen dem Fluss!», stieß einer der Männer mit schwerer Zunge hervor und zog seinen Katzbalger. «Zeigen wir ihnen, wie wir Landsknechte kämpfen!»
    Offenbar hatten die berauschenden Getränke ihren Mut geschürt oder, was oft dasselbe ist, ihren Verstand benebelt.
    Während ein Mann die Frau festhielt, hob auch der dritte seine Waffe, einen Streithammer.
    Ich trat, so schnell es mir in dem Lederanzug möglich war, nach vorn und holte mit der Hakenlanze aus. Der Haken verfing sich im Bein des Mannes mit dem Streithammer. Er fiel hin und rollte auf dem abschüssigen Boden direkt vor meine Füße. Ein zweiter Hieb, und der Haken fuhr in den Hals des Feindes, wo er eine tiefe Wunde hinterließ. Ich griff nach dem großen Dolch

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