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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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so war es den lutherischen Deutschen ein wahrer Heidenspaß, unseren Heiligen Vater den Papst zu verhöhnen. Zu lustigem Flötenklang führten sie vor unseren Mauern unheilige Prozessionen auf, bei denen ein Esel die Papstkrone trug und verlotterte Strolche sich in erbeutete Kardinalsgewänder hüllten. Sie sangen sündige Lieder und ergingen sich wieder und wieder darin, diesen verwünschten Luther zum Papst auszurufen.
    Ihr schändliches Treiben beschäftigte die Plünderer in solchem Maß, dass sie die Engelsburg weitgehend unbehelligt ließen. Sie hatten die Festung mit Laufgräben umschlossen und gaben sich damit zufrieden, uns wachsam zu beäugen, wie auch wir nicht mehr tun konnten, als ihnen zuzusehen. Offenbar hielten sie Rom und den Vatikan für die leichtere Beute. Wir wiederum waren nur dreitausend an der Zahl, darunter viele nicht im Kampf erprobt, Herren aus dem geistlichen Stand, Schreiber und Sekretäre. Die Hoffnung auf Entsatz schwand zusehends dahin.
    Zwar lagerte der Herzog von Urbino mit dem Heer der Heiligen Liga von Cognac auf den Höhen vor Rom, doch traf er keine Anstalten, die Kaiserlichen zu vertreiben. Entweder war er nicht mit Mut gesegnet, oder er ließ sich, da er früher von den Päpsten viel zu erdulden gehabt hatte, mehr von seinem alten Groll als von seiner jetzigen Pflicht leiten.
    Wagten sich doch einmal ein paar vorwitzige Belagerer aus ihren Stellungen, brachte das treffliche Feuer unserer Geschütze sie rasch wieder zurück in die Gräben oder um den Kopf. Dieser Benvenuto Cellini, von dem ich bereits berichtete, mochte ein Prahlhans sein, doch prahlte er nicht ohne Grund. Aufs Schießen und vor allem aufs Treffen verstand er sich wahrhaftig. Bald stieg er zu unserem besten Bombardier auf, dem die fünf Hauptstücke auf der höchsten Bastion unterstellt wurden, droben beim Engel, von wo aus man in alle Himmelsrichtungen blicken und feuern konnte.

    Als an einem sonnigen Morgen ein etwa zehnköpfiger Reisigentrupp im gemächlichen Schritt und ohne zum Angriff erhobene Waffen über die Engelsbrücke auf die Burg zuhielt, ließ Cellini zwei seiner Geschütze laden und auf die Reiter richten.
    Ich stand dicht bei den Geschützen und sah im hellen Morgenlicht, dass der vorderste Reiter die Parlamentärsfahne schwenkte.
    «Haltet ein, nicht feuern!», schrie ich Cellini zu. «Seht Ihr denn nicht des Unterhändlers Fahne?»
    «Doch, doch, sie ist ein hervorragendes Ziel. Gleich kann der Schweinehund damit dem Teufel zur Begrüßung winken.»
    Und er ließ sich tatsächlich eine Lunte geben, um seinen Vorsatz auszuführen. Eilig sprang ich hinzu, riss ihm die brennende Lunte aus der Hand und trat sie mit meinem Absatz aus. Cellini funkelte mich höchst erbost an, und wir gerieten in ein Handgemenge, bis hinter uns ein Ruf erscholl: «Was soll das? Warum ringt ihr miteinander statt mit den Feinden?»
    Wir wandten uns um und erblickten einen stattlichen Herrn in edler Kleidung. Es war der Edelmann Antonio di Santa Croce, dem unser Herr Papst sämtliche Bombardiere unterstellt hatte. Ich erklärte ihm den Grund unseres Streits und er gab mir Recht.
    Nachdem er Cellini den Beschuss der Unterhändler ausdrücklich untersagt hatte, was mir einen vernichtenden Blick des Getadelten eintrug, begab der Edelmann sich zum Quartier des Papstes, um ihn über die neue Entwicklung zu unterrichten. So kam es, dass die Reiter dank meines Eingreifens die Engelsbrücke ungeschoren überqueren konnten. Bald sollte ich mir wünschen, ich hätte den schießwütigen Narren gewähren lassen.
    Weit über die Brüstung gebeugt, starrte ich auf die Reiter hinunter und erkannte mehrere Gesichter. Es waren viele der Hauptleute, die am Abend des fünften Mai als Unterhändler in den Vatikan gekommen waren. Auch der Herr Schertlin befand sich unter ihnen sowie der unheimliche Abbas de Naggera. Der Spanier war nicht länger in das Gewand eines Mönchs gehüllt, sondern trug Mütze, Wams und Hosen eines Kriegsmannes, aber alles in schlichtem Schwarz.
    Wie sehr stach davon der Reiter an seiner Seite ab, auch er ein Spanier, der mir nur zu gut bekannt war. Rufino Ossori hieß der hagere Mann, der wenige Monate zuvor noch Seiner Heiligkeit als Sekretär gedient hatte. Dann hatte man ihn in der päpstlichen Schatzkammer ertappt und ihn als vermeintlichen Dieb mit Schimpf und Schande entlassen. Jetzt ritt er mit stolzgeschwellter Brust auf einem Falben mit brokatverziertem Zaumzeug einher, ganz in rosa leuchtendes Tuch

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