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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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wiederkehrenden Albtraums suchten ihn heim: das abstürzende Flugzeug, das endlose Wasser, Explosion und Vernichtung.
    Er nahm das lauter werdende Motorengeräusch nur unterschwellig wahr. Erst die elektronisch verstärkte Stimme riss ihn aus den Klauen des Todes: «Polizei! Springen Sie ins Boot! Machen Sie sonst keine Bewegung oder wir schießen!»
    Zwei blauweiße Polizeiboote schwammen auf dem Tiber, ein größeres vor der Brücke, ein kleineres mit Außenbordmotor und stumpfem, leicht aufwärts gebogenem Bug direkt unter ihr, unter Alexander und der Toten. Der Uniformierte mit dem Megaphon hockte in dem kleinen Boot, neben ihm zwei Kollegen. Einer hielt eine Automatik und der zweite eine MP
    auf Alexander gerichtet.
    «Springen Sie!», wiederholte der Polizist, den er auch ohne Megaphon deutlich verstanden hätte. Vielleicht benutzte der Mann den Verstärker nur, damit seine Kollegen auf dem größeren Boot hörten, was vor sich ging.
    Langsam löste Alexander die Hände vom Gerüst und ließ sich fallen. Er landete in dem kleinen Polizeiboot. Seine Hände wurden unsanft nach hinten gerissen. Handschellen schlossen sich mit leisem Klicken um seine Handgelenke.
    Der Mann mit dem Megaphon drehte sich zu dem großen Polizeiboot um und meldete: «Doppeltreffer! Wir haben an der Brücke eine Leiche und den Mörder gleich dazu.»

8
    Freitag, 8. Mai
    Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Es war früh am Morgen, so viel war gewiss, mehr aber auch nicht. War die Sonne schon aufgegangen über Rom? Die fensterlose Zelle wurde von einer gittergeschützten Neonröhre erleuchtet. Alexander lag auf der schmalen Pritsche, dem einzigen Einrichtungsgegenstand überhaupt, und starrte in einer reflexartigen Bewegung immer wieder auf sein linkes Handgelenk. Doch die Uhr hatte man ihm schon auf der Tiberinsel abgenommen, genauso wie Geld, Papiere und seinen Gürtel. Als befürchteten die Polizisten, ihr vermeintlicher Mörder könnte es seinem Opfer gleichtun.
    Irgendwann nach Mitternacht hatte ein Polizeitransporter Alexander von der Wache auf der Tiberinsel zum Quirinal gebracht. Zumindest vermutete er, dass er hier im Polizeihauptquartier war. Der Aufbau des Gefangenentransporters hatte kein Fenster gehabt und am Ziel in einer Tiefgarage gehalten. Mehr als Vermutungen anstellen und warten konnte Alexander nicht.
    Hin und wieder schloss er die Augen, um das Neonlicht und die trostlose Ödnis der kleinen Zelle auszublenden. Doch die geschlossenen Augen sahen weitaus Schlimmeres: die tote Raffaela Sini, die unter dem Brückengerüst baumelte wie ein von den Arbeitern vergessenes Werkzeug. Nur ihre Augen schienen nicht tot, warfen ihm anklagende Blicke zu.
    Nach endlosem Liegen und Warten wurde die schwere Stahltür schließlich geöffnet, und Alexander sah sich drei Männern gegenüber. Zwei waren uniformiert, der dritte trug Zivil, einen zerknitterten beigefarbenen Anzug. Sein Kinn und seine Wangen waren stoppelig, er sah übernächtigt aus und genervt, weil er hier Dienst schieben musste, statt daheim im warmen Bett zu liegen.
    «Signor Rosin, folgen Sie mir.» Auch seine Stimme klang müde, leidenschaftslos.
    «Wer sind Sie?»
    «Commissario Bazzini. Ich leite die Untersuchung in diesem Fall.»
    «Wohin bringen Sie mich?»
    «Wenn Sie mitkommen, sehen Sie es.»
    Vorsichtig trat Alexander aus der Zelle und wartete vergeblich darauf, dass man ihm Handschellen anlegte. Die beiden Uniformierten in seinem Rücken schienen sich ihrer Sache sicher. Er folgte dem Commissario zu einem Lift und musste unterwegs seine Jeans hochziehen. Jetzt hätte er den Gürtel, den er im Magazin gekauft hatte, gut gebrauchen können.
    Es ging aufwärts, in den dritten Stock, und dort in ein verräuchertes Büro, in dem Commissario Stelvio Donati saß, einen halb aufgerauchten Zigarillo im Mundwinkel. Das linke Bein stand in einem unnatürlichen Winkel von seinem Körper ab. Er begrüßte den Schweizer mit einem knappen Nicken.
    Zartes Morgenrosa, das durch die schlierige Fensterscheibe schimmerte, fiel auf den massigen Quader des Palazzo delle Esposizioni, in dem wechselnde Kunstausstellungen gezeigt wurden. Alexander hatte richtig vermutet, er befand sich im Hauptquartier der römischen Polizei.
    Die beiden Uniformierten blieben an der Tür stehen. Bazzini bot Alexander einen Stuhl an, hockte sich auf die Schreibtischkante und fragte: «Haben Sie das Mädchen am Ponte Sisto umgebracht?»
    «Vielleicht bin ich schuld an Raffaela Sinis Tod, aber ich habe

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