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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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näherte und dass es heller war als zwei Stunden zuvor.
    Er ließ den Wagen ganz langsam auf den rutschigen Kies der Durchfahrt rollen. Rechts waren Erdhaufen aufgeschichtet, links gähnte der Abgrund. Ein paar Meter entfernt standen die schweren Baumaschinen wie stählerne Hüter dieses öden Ortes.
    Plötzlich wusste er, was sich verändert hatte: Obwohl weit und breit kein Mensch zu sehen war, stand die Straßenwalze nicht mehr zwischen Bulldozer und Schaufelbagger, sondern etwas abseits, nahe der provisorischen Durchfahrt. Er hatte der Baustelle auf der Herfahrt keine große Beachtung geschenkt, und doch war er ziemlich sicher, dass er sich nicht irrte.
    Seine inneren Alarmglocken schrillten – zu spät. Im Rückspiegel sah er, wie die Straßenwalze sich in Bewegung setzte und dem Lancia folgte. Dass sie dabei eine Absperrung platt walzte, schien den Fahrer, dessen Umrisse sich undeutlich im Spiegel abzeichneten, nicht zu stören. Genauso, wie die mächtige Walze die Absperrung zermalmt hatte, würde sie es auch mit dem Lancia tun, wenn Alexander nicht schneller war.
    Als er Gas gab, schnappte die Falle zu. Etwa fünfzehn Meter vor ihm schwenkte der Bulldozer mit aufröhrendem Motor auf die Durchfahrt ein und kam ihm entgegen. Der Fahrer hob die Schaufel gerade so weit an, dass sie den Lancia vor sich herschieben würde. Gegen die Walze!
    Alexander war auf einen Schlag schweißnass. Er hatte nur Sekunden und keinen Raum zum Ausweichen. Instinktiv trat er das Bremspedal bis zum Anschlag durch. Der abrupte Wechsel vom Beschleunigen zur Vollbremsung brachte den Wagen ins Schlittern. Er drehte sich halb um sich selbst und verfehlte den tödlichen Abgrund nur um zwei, drei ■Zentimeter. Als der Lancia zum Stehen kam, war er von einer großen Staubwolke eingehüllt.
    Das Aufstoßen der Fahrertür und ein heftiges Zurückzucken waren für Alexander eine Bewegung. Unmittelbar neben ihm begann der Abhang, so steil, dass er auf dieser Seite kaum heil aus dem Wagen gelangen konnte.
    Er kletterte über den Beifahrersitz, öffnete die zweite Vordertür und ließ sich auf die Straße fallen. Der aufgewirbelte Staub biss in seine Augen, er konnte kaum etwas erkennen. Da er aber wusste, dass der einzige Weg in Sicherheit von dem Lancia wegführte, sprang er auf und rannte einfach los.
    Bei den Erdhügeln stolperte er und fiel hin. Kaum hatte er sich Staub und Tränen aus dem Gesicht gewischt, spritzte vor ihm Erde auf, und ein trockenes Knallen mischte sich in das Dröhnen der Motoren. Kein Zweifel, auf ihn wurde geschossen!

    Der Schatten löste sich aus seiner Erstarrung und schob sich langsam auf den knienden Pater zu. Der betete seinen immer gleichen Singsang und schwang die Bußgeißel so heftig, dass der Luftzug die Kerzenflammen wild zucken ließ. Der Schatten tanzte mit den Flammen, aber nicht der Mann, der ihn warf.
    Als er dicht hinter Borghesi stand, schossen seine Hände vor und hielten die blutigen Lederriemen der Geißel fest. Ein starker Ruck riss den überraschten Geistlichen nach hinten. Vergeblich nach einem Halt suchend, fiel er zur Seite und lag dem anderen, der ihm die Geißel entwunden hatte, zu Füßen.
    Borghesi schreckte zurück. Im ersten Augenblick wähnte er sich einem Dämon gegenüber, der ausgesandt war, den Sünder zu bestrafen. Dann erkannte er das menschliche Gesicht, das ein wenig spöttisch auf ihn herabsah. Der Mann war groß, stattlich –
    und stark.
    Letzteres spürte Borghesi, als er aufstehen wollte. Ein Fußtritt traf ihn am Kinn und warf ihn nach hinten. Sein Hinterkopf krachte gegen den Altar.
    «Bleib am Boden, wo du hingehörst!», sagte der Unbekannte und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. «Es gefällt dir doch, vor mir zu kriechen. Ist doch viel besser, als sich immer nur selbst zu geißeln, nicht?»
    Borghesi schluckte und stotterte: «Wer … bist du?»
    Eine schnelle Handbewegung des Fremden, und die Lederknoten der Geißelschnüre rissen Borghesis linke Wange auf.
    «Ich bin der, der die Fragen stellt. Und du wirst sie beantworten! Was hattest du so lange mit Alexander Rosin zu besprechen?»
    Als Borghesi nicht antwortete, schlug der Fremde ihn wieder ins Gesicht. Seine Wangen brannten, aber Borghesi nahm es hin.
    Er hatte Strafe verdient und schwieg auch, als der Unbekannte seine Frage wiederholte.
    Neue Schläge und immer wieder dieselbe Frage, aber Borghesi verriet nichts. Er lag am Boden, erduldete die Hiebe und murmelte: « Totus tuus, Domine. Hic iacet

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