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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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wischte die Tränen fort, und als er wieder klarer sah, meinte er, es müsse sich um eine optische Täuschung handeln. Von der Kirche widerstand nur noch der Eingangsbereich mit dem halb geöffneten Portal dem wütenden Flammentanz, doch aus der Öffnung kam eine Kreatur hervorgekrochen, die eins der Untiere in der Johannes-Offenbarung. Eine Art riesiger Feuerkäfer, der, Brand und Zerstörung bringend, über die Erde glitt. Oder eine Schlange, die sich in Feuerzuckungen wand. Wie ein vom Schöpfer verfluchtes Wesen. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Dreck fressen dein Leben lang.
    Alexanders Entsetzen wurde noch größer, als er in der kriechenden Kreatur einen Menschen erkannte. Oder was davon übrig war. Schwarze, verbrannte, blasige Haut, auszumachen an den wenigen Stellen, wo der Unglückliche nicht in Flammen stand. Er war vollkommen nackt, so als hätte die Hitze seine Kleider weggesengt. Obwohl der Mann sich vor dem Portal hin und her wälzte, gelang es ihm nicht, die Flammen zu löschen.
    Mit weiten Sprüngen, dabei die Wildlederjacke abstreifend, rannte Alexander zu ihm und versuchte fieberhaft, das Feuer mit der Jacke zu ersticken. Dabei rollte er den Verbrannten hin und her wie ein Fass. Er musste ihn grob anfassen, wollte er ihm schnell genug helfen.
    Als die letzten Flammen an dem zitternden Leib gelöscht waren, zog Alexander den bedauernswerten Mann zu einer Senke, die ein wenig Schutz vor der mörderischen Hitze bot.
    Inzwischen hatte das Feuer auch das Kirchenportal erfasst, leckte über die Statue von Maria und Jesus und fraß sie von den Füßen her auf.
    Die Brandwunden, die den Mann von Kopf bis Fuß bedeckten, waren so schwer, dass Alexander kaum eine Hoffnung für ihn sah. Sämtliche Haare waren den Flammen zum Opfer gefallen und auch der größte Teil der Haut. Der Mann war so entstellt, dass keine Gesichtszüge zu erkennen waren, nur verworfenes Fleisch und zwei wie irre flackernde Augen. Der Anblick war ebenso schwer zu ertragen wie der Gestank verbrannten Fleisches, der jeden anderen Geruch auslöschte.
    Eine kohlschwarze Klaue, die einmal eine Hand gewesen war, richtete sich auf Alexander, und der Mann öffnete den brandblasigen Mund. «Du hättest nicht hierher zurück …»

    Dem Verbrannten fehlte die Kraft fortzufahren, doch Alexander hatte die Stimme bereits erkannt.
    «Sprechen Sie nicht, Pater. Ich werde sehen, dass ich Hilfe für Sie hole.»
    «Nein … zu spät!», brachte der Geistliche undeutlich hervor.
    «Der Dämon hat mich geru …» Borghesis Stimme wurde leiser, schien wie sein Leben zu verlöschen.
    Alexander sah die verkohlte Klaue zucken. Er beugte sich über Borghesi und legte ein Ohr an die zitternden Lippen.
    «Der Hort des Bösen … unter Sankt Peter …», hörte er undeutlich. «Frag die Katzennärrin!»
    Schon sah es aus, als habe das Leben Borghesi endgültig verlassen, da bäumte sich der geschundene Leib noch einmal auf, die schwarze Hand verkrallte sich in Alexanders Hemd, und der Pater schrie mit sich überschlagender Stimme: «Ich … ich habe ihn gesehen, er lebt!»
    Dann ließ er Alexander los und sackte kraftlos auf den Boden.
    Ein schwarzes Bündel aus Knochen und verbranntem Fleisch.
    Tot wie die im Feuer zusammenbrechende Kirche, aus der er gekrochen war.

11
    Sonntag, 10. Mai, abends
    «Was sind Sie, Signor Rosin, eine Art Todesengel? Bringen Sie allen, mit denen Sie zusammenkommen, ein grausames Ende?»
    « Sie leben noch, Commissario», erwiderte Alexander.
    Insgeheim musste er sich entsetzt eingestehen, dass ihm Bazzinis Frage gar nicht so absurd erschien. Der Tod war ihm zu Raffaela Sini gefolgt und zu Pater Borghesi. Und hätte er an der Baustelle nicht geistesgegenwärtig bewiesen, dass ein Schweizergardist mehr war als ein Zinnsoldat, hätte es ihn selbst erwischt. Nach den Erlebnissen dieses Tages war er sich so gut wie sicher, dass die Attentäter auf der Piazza Farnese ihn gemeint hatten und nicht Commissario Donati.
    Der Mann mit der Beinprothese saß schweigend neben seinem Kollegen Bazzini, in dessen Büro das Verhör stattfand.
    Aufgrund der sich häufenden Morde war Donati jetzt offiziell mit dem Fall betraut und leitete zusammen mit Bazzini die Untersuchungskommission. «Meine unerwartete Rückkehr in den aktiven Dienst» hatte er es genannt, als er Alexander zwei Stunden zuvor im Polizeihauptquartier begrüßte. Und er schien darüber nicht unglücklich zu sein.
    Draußen wurde es allmählich dunkel. Im Licht der großen

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