Der Engelspapst
eines Anschlags auf ihn war.»
Bazzini blickte seinen Kollegen prüfend an. «Sie glauben also nicht mehr, dass das Organisierte waren, die man auf Sie angesetzt hat, Stelvio?»
«Organisierte vielleicht, es sind gewiss keine Amateure. Aber nach allem, was geschehen ist, glaube ich ziemlich fest, dass der Anschlag Signor Rosin gegolten hat. Jemand will ihn aus dem Weg räumen, sei es mit Gewalt, sei es mit falschen Anschuldigungen.»
«Die letzte Bemerkung verstehe ich nicht, Commissario», sagte Alexander.
«Das Polizeiboot, das Sie vom Ponte Sisto gepflückt hat, war nicht zufällig dort», erklärte Donati. «Bei der Polizeistation auf der Tiberinsel war ein anonymer Anruf eingegangen, unter der Brücke seien eine Leiche und ihr Mörder zu finden. Wer konnte das wissen außer dem wahren Mörder?»
Bazzini machte eine Handbewegung, als wolle er fuderweise Dreck aus seinem Büro fegen. «Verschwinden Sie, Rosin, es hat ja doch keinen Sinn! Geben Sie Ihre Aussage zu Protokoll. Und viele Grüße an den Papst.»
«Vorher hätte ich noch eine Bitte.»
«Was?»
«Ich möchte den toten Killer sehen.»
«Sie haben ihn doch schon gesehen, oben in den Bergen», wunderte Bazzini sich.
«Ja, schon, aber nicht nackt.»
«Wird das jetzt üblich, dass die Tatverdächtigen ihrem Opfer noch einen Abschiedsbesuch im Leichenkeller abstatten?», fragte Dr. Gearroni spitz, als sie die beiden Polizisten und Alexander zu der langen Wand führte, wo die Toten wie Akten in Schubfächern gelagert waren. «Oder genießt dieser Verdächtige eine Sonderbehandlung?»
«Letzteres», antwortete Bazzini mit einem düsteren Seitenblick auf Donati.
Schwungvoll zog die Pathologin das Wandfach mit der Leiche heraus. Die beiden Einschusslöcher saßen dicht am Herzen. In Anbetracht der Situation extrem gut getroffen, stellte Alexander befriedigt fest.
Auch jetzt empfand er nicht das geringste Mitleid mit dem Toten. Auf dem Seziertisch lag der verkohlte Leichnam, der vor einigen Stunden noch Pater Borghesi gewesen war. Ihm, der auf so elende Weise umgekommen war, gehörte jedes Mitgefühl, nicht dem Killer, der es, gemessen an Borghesis Qual, viel zu leicht gehabt hatte.
Nur kurz ruhte Alexanders Blick auf den Einschusslöchern.
Viel mehr interessierten ihn die roten Abdrücke an beiden Oberschenkeln.
«Wie bei Raffaela Sini», sagte Bazzini. «Spuren eines Bußgürtels, wie mir Kollege Donati erläutert hat.»
«Ähnliche Spuren um die Hüften habe ich bei Pater Borghesi gesehen, als er sich geißelte», erklärte Alexander.
Bazzinis Kopf ruckte zu ihm herum. «Woher haben Sie gewusst, dass der Killer einen Bußgürtel benutzte?»
«Nicht gewusst, nur geahnt», korrigierte Alexander. «In letzter Zeit sterben die bußfreudigen Menschen wie die Fliegen.»
«Sehr richtig», knurrte Bazzini. «Und zwar immer dann, wenn Sie in der Nähe sind, Rosin!»
Die Straßenlampen brannten schon, als Alexander die Via Nazionale entlangschritt. Er hatte Donatis Angebot, ihm ein Taxi zu rufen, abgelehnt, um während eines langen Fußmarsches seine Gedanken zu ordnen. Im Vatikan würde es vermutlich seine erste Pflicht sein, Oberstleutnant von Gunten Rede und Antwort zu stehen. Im Augenblick fiel ihm nichts ein, worauf er weniger Lust hatte.
Doch er hatte nicht länger als nötig bei Donati bleiben wollen.
Es gefiel ihm nicht, den Commissario belogen zu haben. Bazzini war ihm gleichgültig, aber Donati fühlte er sich verpflichtet.
Weil sie das Attentat auf der Piazza Farnese zusammen durchgestanden hatten? Oder weil Donati ihn immer wieder vor Bazzinis Wutausbrüchen in Schutz nahm?
Er wusste selbst nicht genau, warum er bei der Polizei nicht alle Karten auf den Tisch gelegt hatte. Die Entscheidung war schon am Albaner See gefallen, als er über Pater Borghesis Leiche gekniet und durch das Knistern der Flammen die Sirenen der Feuerwehr gehört hatte. Da hatte er gewusst, dass Heinrich Rosins Vermächtnis nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, jedenfalls nicht, solange er selbst den Inhalt der Kassette nicht kannte. Und was Borghesi ihm anvertraut hatte, schien irgendwie mit diesem Vermächtnis zusammenzuhängen.
Zahlreiche flanierende Pärchen auf der Via Nazionale zwangen ihn immer wieder zum Ausweichen. Der Autoverkehr floss auf der Einbahnstraße in Alexanders Richtung. Als er ein wütendes Hupen hörte, fiel ihm ein kleiner Wagen auf, der mit Schrittgeschwindigkeit etwa zehn, zwölf Meter hinter ihm herfuhr und alle anderen
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