Der Engelspapst
Fahrzeuge mit seiner Langsamkeit zu Überholmanövern zwang. Es war ein Fiat 500, ein Modell, das schon seit Jahrzehnten nicht mehr gebaut wurde. Außer in Italien und einigen osteuropäischen Ländern war er nirgends mehr zu finden. Die Windschutzscheibe reflektierte das Licht der Straßenlampen und Schaufenster, weshalb Alexander den Fahrer nur als Silhouette sah. Aber er war sich sicher, den Fiat schon bemerkt zu haben, als er aus dem Polizeigebäude trat.
Mit schnellen Schritten verließ er die Straße und bog in einen schmalen Weg ein, der auf den uneleganten Klotz des Ausstellungspalastes zuführte und für den Kraftverkehr gesperrt war. Die meisten Autos hätten ohnehin nicht zwischen die engen Mauern gepasst – der 500er schon. Zielstrebig befuhr der Fiat den Weg und stoppte, als der Schweizer im Scheinwerferlicht auftauchte.
Alexander sah es, ging auf den Wagen zu und riss die Beifahrertür auf. «Bin ich der Polizei so unwichtig, dass man mich mit einer derart alten Mühle beschattet? Ich hätte …»
Er verstummte, als er die Fahrerin erkannte.
Lächelnd klopfte Elena Vida auf den leeren Beifahrersitz. «Ich hatte schon Angst, Sie würden vor mir davonlaufen. Steigen Sie ein!»
Alexander zwängte sich in den engen Wagen. Elena fuhr rückwärts auf die Via Nazionale, wobei sie einen dicken BMW
zur Vollbremsung und zu einer Hupkanonade veranlasste.
«Braucht man für dieses Ding keinen Führerschein?», fragte Alexander, der reflexhaft beide Füße gegen das Bodenblech stemmte.
«Fährt in Rom irgendjemand, als besäße er einen Führerschein?»
Sie winkte dem Mann am Steuer des BMWs huldvoll zu und fädelte sich in den Verkehr ein.
«Woher wussten Sie, wo ich zu finden bin, Elena?»
«Ich habe meine Informanten.»
«Die Sie natürlich nicht preisgeben dürfen.»
«Sie lernen schnell.»
«Nicht unbedingt», entgegnete er leise und dachte an die rätselhaften letzten Worte, die Pater Borghesi im Todeskampf ausgestoßen hatte. «Sonst hätte es heute vielleicht keine Toten gegeben.»
«Ach ja, die Sache in den Bergen», sagte Elena beiläufig.
«Heben Sie sich das Heucheln für die Beichte auf, Sie sind doch nur wegen dieser Vorfälle hier!»
«Nun, immerhin sind wir Verbündete. Soll ich mich nicht für das interessieren, was Ihnen am Albaner See widerfahren ist?»
«Außerdem gibt das einen knackigen Artikel für den Messagero, hm?»
«Der Messagero bezahlt mich nicht für meine bloße Existenz.
Was ist in den Bergen geschehen?»
«Was wissen Sie bereits?»
«Dass es zwei Tote gibt, eine abgebrannte Kirche und einen Schweizergardisten namens Alexander Rosin, der wohl nicht ganz zufällig in die Sache verwickelt ist.»
Er lieferte ihr einen kurzen Abriss der Ereignisse, während sie den Fiat in Richtung Tiber lenkte, und fügte hinzu: «Ich habe es nicht eilig, zum Vatikan zu kommen. Mitternacht reicht.»
«Wir fahren nicht zum Vatikan, sondern zu mir. Sie sehen so aus, als hätten Sie mächtigen Hunger und das Bedürfnis, sich ein wenig frisch zu machen.»
«Falls der Messagero journalistischen Scharfblick belohnt, haben Sie eine Gehaltserhöhung verdient», grinste Alexander, der jetzt erst merkte, wie sein Magen sich zusammenzog. Seit dem Frühstück bei Pater Borghesi hatte er nichts mehr zu sich genommen. Er war viel zu aufgewühlt gewesen, aber jetzt, da er etwas zur Ruhe kam, fühlte er sich hungrig wie ein ganzes Gardegeschwader.
Jenseits des Tibers fuhren sie den grünen Gianicolo-Hügel hinauf, der sich über Trastevere erhob. Ein schmaler, von Traubeneichen und Orangenbäumen gesäumter Weg führte zu einem Palazzo im Renaissancestil, der etwas versteckt in den Hang hineingebaut war und eine prächtige Aussicht über Trastevere und das auf der anderen Tiberseite liegende Rom bot.
Die Dächer der Stadt verschmolzen in der Dämmerung mit den sich am Horizont erhebenden Gipfeln des Apennins zu einem einzigen riesenhaften Wesen, das mit den tausend Augen erleuchteter Fenster zu ihnen heraufstarrte.
Die Straße schien hoffnungslos zugeparkt, aber Elena quetschte ihren Fiat, die Schnauze voran, in die enge Lücke zwischen einem japanischen Minibus und einem alten Treppenaufgang, der im Grün des dicht bewachsenen Hügels verschwand.
«Was ich an dieser alten Mühle so schätze», sagte Elena beim Aussteigen, «ist der Umstand, dass ich nie lange nach einem Parkplatz suchen muss.»
Als Alexander ihr zu dem Palazzo folgte, stieß er einen anerkennenden Pfiff aus. «Der
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