Der Engelsturm
bestimmt war, aber dass Elias es hasste – er konnte es gar nicht abwarten, bis er es wieder los war.«
»Ich verfüge nicht über sichere Antworten, Simon. Möglich ist, dass König Elias den Wert des Schwertes damals nicht kannte, aberspäter davon erfuhr. Vielleicht entdeckte auch Pryrates seine Macht und ließ es entfernen. Viele Dinge sind möglich.« Der Troll reichte Simon seine Fackel, kletterte von der Bordwand herunter und machte sich daran, die Böschung zu der Öffnung, die sie gegraben hatten, hinaufzusteigen. Durch das Loch sah man den dämmrigen Abendhimmel, blaugrau, trübe bewölkt.
»Ich glaube es einfach nicht.« Simons Hände, müde vom Graben, immer noch schmerzhaft wund von der Tortur im Hasutal, lagen schlaff in seinem Schoß. »Ich will es nicht glauben.«
»Das zweite, fürchte ich, ist das Wahrere«, antwortete Binabik freundlich. »Komm, Freund Simon, wir wollen schauen, ob Miriamel ein Feuer entfacht hat. Eine warme Suppe wird uns das Nachdenken ein wenig erleichtern.«
Binabik erreichte den Rand der Öffnung, schlängelte sich hindurch und drehte sich um. »Gib mir die Fackeln, dann helfe ich dir ins Freie.«
Simon hörte kaum, was Binabik sagte, denn er hatte ganz plötzlich etwas entdeckt. Er hielt die beiden Fackeln höher und lehnte sich quer über das Boot, um die untere Seite der gegenüberliegenden Wand zu betrachten.
»Simon, was suchst du noch?«, rief Binabik von oben. »Wir haben den Leichnam des armen Königs bei unserem Nachforschen schon beinah kopfüber gedreht!«
»Da ist etwas auf der anderen Seite der Grabkammer. Etwas Dunkles.«
»Oh?« Neugier klang aus Binabiks Stimme. »Was für ein dunkles Etwas soll das sein?« Er beugte sich tiefer in den Eingang und verdeckte den Blick auf den Himmel.
Simon nahm beide Fackeln in eine Hand und rutschte so weit über die Bordkante der Seepfeil, dass er genug sah, um seinen Verdacht bestätigt zu finden. »Es ist ein Loch!«
»Das scheint mir wenig verblüffend«, meinte der Troll.
»Aber es ist ein großes Loch, das tief in die Wand des Hügels reicht. Vielleicht sind sie dort eingedrungen.«
Binabik sah auf die Stelle, die Simon ihm zeigte, und verschwand dann auf einmal vom Eingang. Simon schob sich noch näher heran.Die unregelmäßige Öffnung in der Seite der Grabkammer hatte den Durchmesser eines Bierfasses.
Der Troll kam zurück. »Ich sehe an der Außenseite nichts, das dazu passt. Wenn sie dort ein Loch gruben, haben sie es mit großer Sorgfalt wieder zugeschüttet, oder es ist lange her. Das Gras scheint unberührt.«
Simon ließ sich vorsichtig von der Wand ins Innere der Seepfeil hinunter und kletterte auf der anderen Seite wieder hinauf. Zwischen der Außenwand des Rumpfs und der aus Lehm und Balken errichteten Wand des Grabhügels gab es einen etwas über eine Elle breiten freien Raum. Er ließ sich herunter, um das Loch genauer in Augenschein zu nehmen, die Fackel dicht an der schwarzen Öffnung. Vor Überraschung fing sein Nacken an zu prickeln. »Ädon«, flüsterte er leise, »es führt nach unten!«
»Was?« Binabiks Stimme verriet Ungeduld. »Simon, es gibt Dinge zu tun, ehe die Dunkelheit draußen voll wird.«
»Es führt nach unten, Binabik! Der Tunnel hinter dem Loch führt abwärts!« Er stieß die Fackeln in die Öffnung und beugte sich so tief hinein, wie er wagte. Außer ein paar glänzenden, haarfeinen Wurzeln war nichts zu sehen. Dahinter versickerte das Licht der Fackeln in den Windungen des Tunnels und in der Finsternis.
»Dann wollen wir ihn morgen weiter untersuchen«, erklärte nun der Troll, »wenn wir die Möglichkeit zum Denken und Schlafen gehabt haben. Komm hoch, Simon.«
»Gleich. Geh schon vor.« Er kroch weiter. Ihm war klar, dass er eigentlich Angst hätte haben sollen – alles, was so große Löcher grub, Tier oder Mensch, war mit Vorsicht zu genießen –, aber er war felsenfest davon überzeugt, dass dieser gähnende Schlund etwas mit dem Verschwinden von Hellnagel zu tun haben musste. Er starrte in das leere Loch, hielt die Fackel an die Seite und spähte tiefer.
Unten im Dunkel glänzte etwas, irgendein Gegenstand, der den Fackelschein widerspiegelte.
»Da drin ist etwas!«, rief er.
»Was – etwas?«, erkundigte sich der Troll besorgt. »Ein Tier?«
»Nein, eher wie Metall.« Simon beugte sich in das Loch.
Es roch nicht nach Tier, aber ein wenig nach menschlichemSchweiß. Das glänzende Ding schien ein kleines Stück tunnelabwärts zu liegen, gerade an der
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