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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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einem Mann, einem Ehegatten? Grüße!«
    »O Elysia, Mutter der Barmherzigkeit«, knurrte Gutrun empört.
    »Ihr wisst, dass er Euch liebt, Vara. Lasst Euch das genug sein!«
    Die Thrithingfrau sank zurück. Ihr Haar breitete sich über das Kissen wie ein glänzendschwarzes Tuch. »Das ist nur, weil ich so tatenlos hier herumliege. Morgen bin ich wieder kräftiger. Morgen gehe ich dorthin, wo ich die Schlacht sehen kann.«
    »Aber nur, wenn Ihr mich hinter Euch herschleifen könnt«, entgegnete die Herzogin mit fester Stimme. »Ihr hättet sie sehen sollen, Aditu – heute Morgen konnte sie nicht einmal stehen, so stark warendie Schmerzen. Wenn ich sie nicht aufgefangen hätte, wäre sie auf den Steinboden gefallen.«
    »Wenn sie stark genug ist«, meinte Aditu, »wird ihr das Gehen sicher nicht schaden – aber langsam, und nicht so weit.« Sie hielt inne und betrachtete die Thrithingfrau nachdenklich. »Ich glaube, du regst dich vielleicht zu sehr auf, wenn du die Schlacht anschaust, Vara.«
    »Ha.« Varas Verachtung war offensichtlich. »Du sagst, dein Volk bekommt so gut wie gar keine Kinder mehr. Woher weißt du dann so genau, wie ich mich zu verhalten habe?«
    »Gerade weil unsere Geburten so selten sind, nehmen wir sie umso ernster.« Aditu lächelte schmerzlich. »Ich wäre überglücklich, wenn ich einmal ein Kind haben dürfte. Es ist eine große Ehre für mich, dass ich bei dir sein darf, während du deines erwartest.« Sie bückte sich und schlug die Decke zurück. »Lass mich horchen.«
    »Du willst mir ja nur sagen, dass das Kind keine Lust hat, morgen spazieren zu gehen«, beschwerte sich Vara, hinderte Aditu jedoch nicht daran, eine goldene Wange auf ihren straff gewölbten Bauch zu legen.
    Aditu schloss die schrägen Lider, als wollte sie einschlafen.
    Einen langen Augenblick spiegelte ihr schmales Gesicht fast völlige Ruhe. Dann öffneten die Augen sich weit, funkelnder Bernstein blitzte auf, und sie stieß ein überraschtes Zischen aus. »Venyha s’ahn!« Sie hob kurz den Kopf und legte dann noch einmal das Ohr an Varas Bauch.
    »Was ist?« Schneller als ein Herzschlag war Gutrun vom Stuhl gesprungen. Die Stickerei flog in die Ecke. »Das Kind! Ist das Kind … ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Sag es mir, Aditu.« Vara lag ganz ruhig, aber ihre Stimme klang gepresst. »Schone mich nicht.«
    Die Sitha fing an zu lachen.
    »Seid Ihr von Sinnen?«, rief Gutrun wütend. »Was ist?«
    Aditu setzte sich wieder hin. »Verzeiht. Ich habe mich nur darüber gewundert, wie ihr Sterblichen mich doch immer wieder zum Staunen bringt. Und wenn ich daran denke, dass mein Volk sich glücklich schätzt, wenn in jedem Jahrhundert eine Handvoll Kinder geboren werden!«
    »Wovon redet Ihr eigentlich?«, fauchte Gutrun. Vara sah viel zu erschrocken aus, um noch Fragen zu stellen.
    »Ich rede von euch Sterblichen, von euren Gaben, die euch gar nicht bewusst sind.« Wieder lachte sie, diesmal leiser. »Es sind zwei Herzschläge.«
    Die Herzogin riss die Augen auf. »Wie bitte?«
    »Zwei Herzschläge«, wiederholte Aditu gelassen. »In Vara wachsen zwei Kinder.«

12
Schlaflos im Dunkel

    imons Herz war vor Enttäuschung ganz leer, so tief und hohl wie der Grabhügel, in dem sie standen. »Es ist weg«, flüsterte er. »Hellnagel ist nicht mehr da.«
    »Daran lässt sich kaum Zweifel hegen.« Binabiks Gesicht im Fackelschein war grimmig. »Qinkipa vom Schnee! Fast wünsche ich, wir hätten es erst dann entdeckt, wenn wir mit Prinz Josuas Heer an diesen Ort gekommen wären. Ungern bringe ich ihm eine Nachricht wie diese.«
    »Aber was kann daraus geworden sein?« Simon starrte auf die wächsernen Züge Johans des Priesters, als könne der König aus seinem Todesschlaf erwachen und ihnen Antwort geben.
    »Mir will scheinen, dass Elias seinen Wert kannte und es an sich nahm. Gewiss ruht es jetzt oben auf dem Hochhorst.« Der Troll zuckte die Achseln, seine Stimme klang bedrückt. »Nun, wir wussten immer, dass wir ihm Leid abnehmen müssen. Zwei Schwerter oder eines, der Unterschied dünkt mich gering.«
    »Aber Elias kann es nicht genommen haben. Es gab nirgends ein Loch, bevor wir eines gruben.«
    »Vielleicht hat er es schon eine kleine Weile nach Johans Bestattung geholt. Inzwischen ist so viel Zeit vergangen, dass wir die Spuren nicht mehr sehen würden.«
    »Das ergibt keinen Sinn«, beharrte Simon. »Denn wenn er es haben wollte, hätte er es gleich behalten können. Strupp hat gesagt, dass das Schwert für ihn

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