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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zurückfallen und gestattete Gutrun, sie mit der Decke zuzudecken. »Ich wurde nicht zur Schwachheit erzogen.« In dem Licht, das durch das hohe, schmale Fenster hereinsickerte, war sie sehr blass.
    »Du bist nicht schwach. Aber dein Leben und das des Kindes sind kostbar«, erklärte Aditu sanft. »Wenn du dich gesund und stark fühlst, kannst du dich bewegen, soviel du willst. Aber wenn du Schmerzen hast oder erschöpft bist, dann lass dir von Herzogin Gutrun oder mir helfen.« Sie stand auf und ging ein paar Schritte zur Tür. »Du willst doch nicht etwa weggehen?«, fragte Vara bestürzt.
    »Bleib hier und unterhalte dich mit mir. Erzähl mir, was draußen vorgeht. Gutrun und ich sind schon den ganzen Tag hier eingesperrt.Nicht einmal die Mönche reden mit uns. Ich glaube, sie hassen Frauen.«
    Aditu lächelte. »Wie du willst. Für eine so wichtige Sache kann ich meine anderen Aufgaben wohl noch warten lassen.«
    Die Sitha setzte sich wieder auf das Bett und kreuzte die Beine unter sich. »Herzogin Gutrun, wenn Ihr Euch ein wenig Bewegung machen wollt, kann ich noch eine Weile bei Vara bleiben.«
    Die Herzogin schnaubte verächtlich. »Ich bin genau dort, wo ich hingehöre.« Sie beugte sich wieder über ihre Näharbeit.
    Vara streckte die Hand aus und umschloss Aditus Finger.
    »Sag mir, was du heute erlebt hast. Warst du bei Leleth?«
    Die Sitha nickte, dass die silberweißen Haare flogen. »Ja. Sie liegt nur ein paar Kammern weiter. Aber es gibt keine Veränderung. Sie wird immer dünner. Ich mische nährende Kräuter in das wenige Wasser, das sie trinkt, aber ich fürchte, das ist nicht genug. Irgendetwas hält sie noch in ihrem Körper fest – wenn man sie anschaut, glaubt man, sie schlafe nur –, aber ich frage mich, wann dieses Band zerreißen wird.«
    Ein Ausdruck der Sorge schien ihre fremdartigen Züge zu trüben. »Auch das ist ein Beispiel dafür, wie viel wir mit dem Abschied von Geloë verloren haben. Die Waldfrau hätte sicher eine Wurzel oder Blattpflanze gekannt, die Leleths Geist zu uns zurückholen würden.« »Da bin ich nicht sicher«, meinte Gutrun. »Das Kind war nie mehr als halb auf dieser Welt – ich kenne sie und habe sie gepflegt und im Arm gehalten wie kaum jemand hier. Was immer ihr damals im Wald widerfahren ist, auf ihrer Flucht mit Miriamel – diese Hunde und der barmherzige Usires weiß, was sonst noch alles –, es hat einen Teil von ihr mitgenommen.« Sie stockte. »Es liegt nicht an Euch, Aditu. Ich bin überzeugt, Ihr habt alles getan, was man nur tun kann.«
    Aditu drehte sich zu ihr um, anscheinend nicht verwundert über den versöhnlichen Ton der Herzogin. »Aber dennoch ist es traurig«, sagte sie nur.
    »Traurig, ja«, erwiderte Gutrun. »Gottes Wünsche machen seine Kinder oft traurig. Wahrscheinlich verstehen wir einfach nicht, was er will. Bestimmt hat er nach all ihrem Leid etwas Besseres mit der kleinen Leleth vor.«
    Aditus Antwort kam zögerlich. »Ich hoffe es.«
    »Und was gibt es sonst Neues?«, fragte jetzt Vara. »Das mit Leleth hatte ich mir schon gedacht, denn du hättest es mir bestimmt sofort erzählt, wenn sich etwas bei ihr verändert hätte.«
    »Sonst gibt es nichts zu berichten. Die Truppen des Herzogs von Nabban sind noch ein weiteres Stück zurückgewichen, werden aber bald wieder Stellung beziehen und weiterkämpfen. Josua und seine Anführer versuchen einen Waffenstillstand auszuhandeln, um die Gespräche beginnen zu können.«
    »Werden denn diese Nabbanai mit uns reden?«
    Aditu hob geschmeidig die Schultern. »Ich frage mich manchmal, ob ich die Sterblichen verstehe, die ich gut kenne. Was jene betrifft, die mir ganz fremd sind … so kann ich keine begründete Vermutung darüber aussprechen, was sie tun werden. Aber ihr Heerführer ist ein Bruder des regierenden Herzogs, sagt man, darum bezweifle ich, dass er den Vorschlägen deines Gemahls großes Wohlwollen entgegenbringen wird.«
    Varas Gesicht verzog sich, und sie begann zu keuchen, winkte aber die besorgte Aditu zurück. »Nein, es geht mir gut. Nur ein Krampf.« Sie holte tief Atem. »Und Josua? Was ist mit ihm?«
    Die Sitha blickte auf Gutrun, die mit dem Ausdruck belustigter Hilflosigkeit die Brauen hochzog. »Er war doch erst heute Morgen hier, Vara«, erklärte die Herzogin. »Er kämpft nicht selbst.«
    »Es geht ihm gut«, fügte Aditu hinzu, »und er bat mich, dir seine besten Grüße auszurichten.«
    »Seine besten Grüße?« Vara fuhr auf. »Was sind das für Worte von

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