Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Hellnagel, sondern auch sie retten. Bestimmt würde sie sich furchtbar wundern – er musste aufpassen, dass er sie nicht zu Tode erschreckte. Sie musste sich doch gefragt haben, was in aller Welt aus ihrem nichtsnutzigen Küchenjungen geworden war.
    Kurz vor den Türen schlug Simon einen Haken und versteckte sich in einer Efeuhecke an der Zwingermauer. Held oder nicht, er war kein Dummkopf und wollte sich erst einmal überzeugen, ob es Anzeichen dafür gab, dass der Turm bewohnt war.
    Er hockte sich nieder und schlang die Arme um die Knie. Die über ihm aufragende Masse des Turms mit ihren dicken schwarzen Steinenbedrückte ihn. Man konnte sich leicht ausmalen, dass der Turm seiner harrte wie ein Riese, der zu schlafen vorgab und nur auf den Augenblick lauerte, in dem Simon in Reichweite kommen würde.
    Die Zeit verging unendlich langsam. Als er das Warten nicht länger ertrug, löste er sich aus dem Efeu, der ihn gar nicht wieder freigeben zu wollen schien. Niemand hatte sich der Tür genähert, nirgends im ganzen Inneren Zwinger war etwas zu sehen gewesen. In den Fenstern war ihm kein Licht mehr aufgefallen, und er hatte nichts mehr gehört als das Klagen des Windes in den Turmspitzen. Es war Zeit.
    Aber wie sollte er hineinkommen? Es würde ihm wohl kaum gelingen, die riesigen schwarzen Türen aufzubrechen. Wer so voller Geheimnisse steckte wie Pryrates, hatte die Tür zu seiner Festung ganz bestimmt mit Schlössern gesichert, die ein Heer am Eindringen hindern würden. Nein, er würde sicher klettern müssen. Das Torhaus über dem Eingang war vermutlich die beste Möglichkeit. Von seinem Dach konnte er vielleicht in eines der höher gelegenen Fenster einsteigen. Die Mauersteine waren schwer und die Fugen dazwischen groß; er würde unschwer Halt finden.
    Er schlüpfte in den Schatten des Torhauses, um von dort einen Blick auf die schwarzen Balken der beiden Türflügel zu erhaschen. Sie waren wirklich ungeheuer dick – Simon schätzte, dass selbst mit Äxten bewaffnete Männer mindestens einen halben Tag brauchen würden, um sie einzuschlagen. Versuchsweise fasste er nach einem der massiven Türgriffe und zog. Der rechte Flügel glitt lautlos nach außen. Simon war so erschrocken, dass er in den Nieselregen zurücktaumelte.
    Die Türen waren offen – unverschlossen! Am liebsten wäre er sofort weggerannt, fest überzeugt, dass man ihm eine Falle gestellt hatte. Aber als er stehen blieb, mit erhobenen Händen, wie um einen Schlag abzuwehren, sah er ein, dass das unwahrscheinlich war. Vielleicht gab es im Inneren des Turms stärkere Schutzvorrichtungen?
    Wieder zauderte er. Sein Herz hämmerte.
    Sei kein Dummkopf. Entweder du gehst hinein, oder du bleibst draußen. Nur bleib nicht mitten im Weg stehen, bis dich jemand findet.
    Er ballte die Fäuste und trat ein. Die Tür zog er hinter sich zu.
    Die Fackel in seinem Gürtel, die er mit Öl aus einem der Lagerräume im Engelsturm wieder brennbar gemacht hatte, war zunächst nicht nötig. In einer Halterung an der Wand der hohen Eingangshalle brannte schon eine andere, die den Raum flackernd erhellte. Simon musste daran denken, wer sie wohl angezündet hatte, verdrängte diese zwecklose Frage aber gleich wieder. Er konnte nur versuchen, auf der Hut zu sein, sich möglichst lautlos bewegen und horchen, ob sich außer ihm noch jemand im Hjeldinturm aufhielt. Er durchquerte die Eingangshalle. Das laute Scharren seiner Stiefelsohlen auf dem Steinfußboden erschreckte ihn. Eine Treppe an der einen Wand führte hinauf in die oberen, dunkleren Räume des Turms. Sie würden warten müssen.
    So viele Türen! Simon suchte eine aus und öffnete sie behutsam. Das aus der Vorhalle hereindringende Licht zeigte ihm einen Raum, dessen gesamte, reichhaltige Einrichtung aus zusammengeschnürten und verleimten Knochen bestand, darunter ein großer Sessel mit einem Baldachin, der – wie eine groteske Verhöhnung des Drachenbeinthrons – aus lauter Schädeln gemacht war. Menschlichen Schädeln. An vielen Knochen hingen noch dunkle, verdorrte Fleischfetzen. Irgendwoher kam ein zischelndes Zirpen wie von einer Grille. Simon wurde übel. Hastig schloss er die Tür.
    Als er sich etwas erholt hatte, zündete er seine eigene Fackel an der Wandfackel an. Wenn er wirklich nach dem Schwert suchen wollte, musste er sich auch in den dunklen Ecken umsehen können, ohne Rücksicht auf das, was er dort vielleicht fand.
    Noch einmal betrat er das Knochenzimmer, aber auch eine genauere Untersuchung

Weitere Kostenlose Bücher