Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
die mächtigen Mühlsteine der Sterblichen und Unsterblichen geraten. An der Seite einer Prinzessin und eines Herzogs hatte er gegen Ungeheuer gekämpft. Er war einer der legendären Sithi begegnet und hatte mit ihr gesprochen. Er war Zeuge der Rückkehr des größten Ritters gewesen, den das Johaninische Zeitalter aufzubieten hatte. Jetzt, als hätten die Seiten aus einem von Doktor Morgenes’ staubigen Folianten magisches Leben gewonnen, stand er hier unter einem Himmel voller Wolken und sah zu, wie sich nach einem Kampf auf Leben und Tod im berühmten Onestrinischen Pass ein ganzes Heer ergab. Kein Zweifel, jeder Gelehrte, der seinen Federkiel wert war, würde alles darum geben, an seiner Stelle zu sein.
    Und warum, fragte sich Tiamak, hatte er dann eine so heftige Sehnsucht, seinen Banyanbaum wiederzusehen?
    Ich bin, wie Sie-die-wachen-und-gestalten mich gemacht haben, entschied er. Ich bin kein Held wie Camaris oder Josua oder sogar der armeIsgrimnur. Nein, ich gehöre zu Vater Strangyard und unseresgleichen – den Kleinen, den Stillen. Wir wollen nicht, dass alle ihre Augen auf uns richten und nur darauf warten, was wir als Nächstes tun.
    Und doch, wenn er an einiges zurückdachte, was er gesehen und sogar getan hatte, war er gar nicht so sicher, dass er darauf verzichtet hätte, falls er hätte wählen dürfen. Natürlich nur, solange es mir gelingt, Ihr-die-darauf-wartet-alles-wieder-zu-sich-zu-nehmen noch ein Weilchen zu entwischen.
    Ich hätte nichts dagegen, eine Familie zu haben, nichts gegen eine Frau und Kinder, die mein Haus mit Lachen erfüllen, wenn ich alt bin.
    Aber dazu musste er sich erst einmal eine Wran-Braut suchen. Denn selbst wenn er etwas für die großen, fischhäutigen Frauen aus den Trockenländerstädten übriggehabt hätte, wäre zu bezweifeln, dass sie davon begeistert sein würden, in einem Baumhaus mitten im Sumpf von Krebssuppe zu leben.
    Josuas Stimme unterbrach seine Gedanken. Er wollte auf den Prinzen zugehen, um seine Botschaft auszurichten, fand aber den Weg von mehreren kräftigen Soldaten versperrt, die in das Schauspiel, das sich ihnen bot, so vertieft waren, dass sie es nicht eilig hatten, den kleinen Mann durchzulassen.
    »Ihr seid schon hier, wie ich sehe«, begrüßte der Prinz jemanden. Der Wranna stellte sich auf die Zehen, um etwas zu sehen.
    »Wo sollte ich auch sonst hingehen, Prinz Josua.« Varellan erhob sich, um den Sieger zu empfangen. Selbst mit Schnittwunden und blauen Flecken im Gesicht, den Arm in der Schlinge, machte Benigaris’ jüngerer Bruder als Heerführer einen wenig überzeugenden Eindruck. Er war hochgewachsen und sah auf eine dünne, blässliche Art recht gut aus, aber seine Augen tränten, und in seiner Haltung lag etwas Entschuldigendes. Tiamak fand, er ähnele einem Schössling, der nicht genügend Sonne bekommen hatte.
    Vor ihm stand Josua, noch immer in seinem zerrissenen Wappenrock und den schlammbespritzten Stiefeln, als wäre die Schlacht nicht schon vor zwei ganzen Tagen, sondern erst vor Minuten zu Ende gegangen. Er hatte seitdem das Lager nicht verlassen und so viel zu tun gehabt, dass er, dessen war Tiamak sicher, kaum mehr als ein paar Stunden zwischendurch geschlafen hatte.
    »Es gibt keinen Grund, beschämt zu sein, Varellan«, erklärte der Prinz mit fester Stimme. »Eure Männer haben gut gekämpft, und Ihr habt Eure Pflicht erfüllt.«
    Varellan schüttelte erbost den Kopf und sah einen Moment aus wie ein unzufriedenes Kind. »Ich habe versagt. Benigaris wird es nicht kümmern, dass ich meine Pflicht erfüllt habe.«
    »Ihr mögt die Schlacht verloren haben«, sagte Josua, »aber dadurch vielleicht mehr Gutes bewirkt haben, als Ihr wisst – obwohl Euer Bruder wenig Nutzen daraus ziehen wird.«
    Schweigend trat Camaris vor und stellte sich neben ihn. Varellan sperrte die Augen so weit auf, als wäre sein Onkel ein überlebensgroßes Fabeltier – was er, fand Tiamak, in gewisser Weise ja auch war. »Ich kann über das, was geschehen ist, nicht glücklich sein«, sagte Varellan gepresst.
    »Wenn wir dieses Gespräch beendet haben, werdet Ihr vieles wissen, das Euch vielleicht veranlasst, Eure Meinung zu ändern.«
    Varellan verzog das Gesicht. »Habe ich denn immer noch nicht genug gehört? Nun gut, dann lasst uns zum Schluss kommen. Mein Kriegsbanner habt Ihr schon erobert, auch dies hätte ich lieber auf dem Schlachtfeld gelassen.«
    »Ihr wart verwundet.« Josua sprach wie zu einem Sohn. »Es ist keine Schande, vom Feld

Weitere Kostenlose Bücher