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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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würde.
    Der Prinz sah ratlos auf Varellan, dann auf Camaris. Die Lippen des alten Ritters kräuselten sich zu einem geisterhaften Lächeln, aber selbst darin lag Pein. »Geht nur, Josua«, meinte er. »Auch ohne Euch kann ich Varellan vieles sagen.« Er stockte einen Augenblick, und sein Gesicht schien plötzlich zu schrumpfen; Tränen stiegen ihm in die Augen. »Gott schenke Eurer Gemahlin eine sichere Geburt.«
    »Danke, Camaris.« Josua war so zerstreut, dass er nicht weiter auf das Verhalten des alten Mannes achtete. Er drehte sich um. »Tiamak. Vergebt mir meine Unhöflichkeit. Wollt Ihr mit mir zurückreiten?«
    Der Wranna schüttelte den Kopf. »Nein, danke, Prinz Josua. Ich habe hier noch anderes zu erledigen.«
    Zum Beispiel mich von diesem Ritt zu erholen, fügte er innerlich hinzu.
    Der Prinz nickte und stürmte davon.
    »Komm«, sagte Camaris und legte Varellan den langen Arm um die Schulter. »Wir müssen miteinander reden.«
    »Ich bin gar nicht so sicher, dass ich wirklich hören möchte, was Ihr mir sagen wollt«, entgegnete der junge Mann nur halb im Scherz.
    »Nicht ich allein bin es, der sprechen sollte, Neffe«, versetzte der alte Ritter und wischte sich mit dem Ärmel die Augen. »Es gibt so vieles, das ich von dir erfahren möchte – über meine Heimat und meine Familie. Komm.«
    Er steuerte Varellan auf die Reihe der auf dem Bergkamm errichteten Zelte zu. Tiamak sah ihnen nicht ohne Enttäuschung nach.
    Da haben wir es wieder. Mittendrin mag ich sein, aber ich bleibe dennoch ein Außenseiter. Wenn diese Geschichte in einem Buch stünde, wüsste ich wenigstens, was sie einander jetzt erzählen. So ein einsamer Banyanbaum hat doch etwas für sich.
    Ein Stück folgte er den sich Entfernenden noch mit den Augen, dann schauderte er und wickelte sich enger in seinen Mantel. Es war wieder kalt geworden. Der Wind schnitt wie mit Messern. Tiamak entschied, dass es Zeit war, sich einen Schluck Wein zu suchen.

    Über Naglimund lag ein giftig kalter Nebel. Eolair hätte viel darum gegeben, jetzt in seiner großen Halle in Nad Mullach am Feuer zu sitzen, der Krieg eine Erinnerung aus alten Zeiten. Doch der Krieg war da und wartete auf ihn, nur ein kleines Stück den Hang hinauf.
    »Haltet stand«, ermahnte er die hinter ihm zusammengedrängten Hernystiri. »Bald werden wir vorrücken. Und vergesst nicht: Sie bluten alle, und sie sterben alle.«
    »Aber wir sterben schneller«, versetzte einer der Männer ruhig.
    Eolair hatte nicht das Herz, ihn zurechtzuweisen. »Es ist das Warten«, murmelte er zu Isorn. Der Herzogssohn sah ihn mit bleichem Gesicht an. »Es sind tapfere Männer. Das Warten und das Nichtwissen sind es, die sie so zermürben.«
    »Nicht nur das.« Isorn deutete mit dem Kinn auf die Festung über ihnen, die als zerklüfteter Schatten aus dem Dunst ragte. »Es ist auch dieser Ort – und es sind die, gegen die wir kämpfen.«
    Eolair knirschte mit den Zähnen. »Was hält die Sithi? Vielleicht sähe alles anders aus, wenn wir verstünden, warum sie so handeln. Ich schwöre, dass es mir manchmal so vorkommt, als warteten sie darauf, dass der Wind umschlägt oder bestimmte Vögel über uns wegfliegen. Es ist, als kämpfte man in einem Heer von Hellsehern.«
    Trotz der Anspannung, unter der er selbst stand, warf Isorn dem Grafen einen mitfühlenden Blick zu. Eolair spürte ihn fast wie einen Tadel. »Sie wissen am besten, wie man ihresgleichen bekämpft.«
    »Ich weiß ja, ich weiß.« Eolair schlug auf den Schwertgriff. »Aber am liebsten wäre mir …«
    Ein hoher Ton sang über den Hang. Zwei weitere Hörner fielen ein.
    »Endlich!« Der Graf von Nad Mullach holte tief Atem, wandte sich im Sattel und rief seinen Männern zu: »Wir folgen den Sithi! Bleibt zusammen. Haltet einander den Rücken frei und verlauft euch nicht in dieser götterverfluchten Suppe!«
    Wenn er auf einen Antwortruf der Männer gerechnet hatte, wurde er enttäuscht. Doch als er bergauf sprengte, folgten sie ihm. Bei einem Blick über die Schulter sah er sie durch den Schnee waten, stumm und verbissen wie Sträflinge. Wieder wünschte er sich, er hätte ihnen ein besseres Los bieten können.
    Aber hätte er erwarten sollen? Wir kämpfen gegen einen unnatürlichen Feind, unsere Verbündeten sind nicht weniger sonderbar, und die Schlacht findet nicht einmal auf unserem eigenen Boden statt. Es ist schwer für die Männer zu begreifen, dass dies alles trotzdem zum Wohl Hernystirs geschieht, ganz zu schweigen vom Wohl ihrer

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