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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zurückkehren. Einst hatte Eolair sich gefragt, ob es die Unsterblichen wirklich gab. Jetzt hatte er mit ihnen gelebt und gekämpft und dabei mehr Grauen und Schmerz erfahren, als er jemals für möglich gehalten hatte.
    »Nein, nicht in unsere Heimat. Schaut dort.« Jiriki hob die Zeltklappe. Der Nachthimmel hatte aufgeklart, über den Lagerfeuern wölbte sich ein Baldachin aus Sternen. »Dort. Über dem Stern, den wir Nachtherz nennen, dem hellen Stern über der Ecke der äußeren Mauer von Naglimund.«
    Ratlos und ängstlich spähte Eolair hinauf. Oberhalb des Sterns, der hoch am schwärzlichen Himmel stand, erkannte er einen weiteren Lichtpunkt, rot wie sterbende Glut.
    »Dieser?«, fragte er.
    Jiriki folgte seinem Blick. »Ja. Er ist ein Vorzeichen von furchtbarer Macht und Bedeutung. Die Völker der Sterblichen nennen ihn den Erobererstern.«
    Der Name kam Eolair unangenehm bekannt vor, aber in seinem Gram und seiner inneren Leere fiel ihm nichts dazu ein. »Ihr geht zum Hochhorst?«, fragte er. »Um gegen Elias zu kämpfen?«
    »Die Zeit ist gekommen.«
    Der Graf beugte sich wieder zu Maegwin hinunter. Ihre Lippen waren blutleer. Unter ihren Augenlidern zeigte sich ein dünner Streifen Weiß. »Dann reitet ohne mich und meine Männer. Ich habe das Töten satt. Ich werde Maegwin zurückbringen, damit sie in Hernystir sterben kann. Ich bringe sie nach Hause.«
    Jiriki hob die langfingrige Hand, als wollte er sie seinem menschlichenVerbündeten entgegenstrecken. Stattdessen machte er kehrt und ging zum Zelteingang. Eolair erwartete irgendeine dramatische Geste, aber der Sitha sagte nur: »Ihr müsst tun, was Ihr für das Beste haltet, Eolair. Ihr habt schon viel gegeben.« Er glitt hinaus, ein dunkler Schatten vor dem Sternenhimmel. Die Klappe fiel zu.
    Eolair sank an Maegwins Lager nieder, verzweifelt und verwirrt. Er konnte nicht mehr denken. Behutsam legte er seine Wange an ihren reglosen Arm und schlief ein.

    »Wie fühlt Ihr Euch, alter Freund?«
    Isgrimnur öffnete stöhnend die Augen. In seinem Kopf stach und hämmerte es, aber das war eine Kleinigkeit im Vergleich zu den Schmerzen unterhalb seines Halses. »Tot. Wieso begrabt Ihr mich nicht?«
    »Ihr werdet uns alle überleben.«
    »Wenn ich so weiterleben muss, ist das kein Vorteil.« Isgrimnur richtete sich ein wenig auf. »Was tut Ihr hier? Strangyeard hat mir gesagt, heute würde sich Varellan ergeben.«
    »Das hat er getan. Ich hatte Geschäfte hier im Kloster.«
    Der Herzog starrte Josua misstrauisch an. »Warum grinst Ihr so? Es sieht Euch überhaupt nicht ähnlich.«
    Der Prinz gluckste vor Vergnügen. »Isgrimnur – ich bin Vater.«
    »Vara hat ihr Kind?« Der Rimmersmann streckte die haarige Pranke aus und quetschte Josuas Hand. »Großartig, Mann, großartig! Junge oder Mädchen?«
    Der Prinz setzte sich auf das Bett, damit Isgrimnur sich nicht so zu recken brauchte. »Beides.«
    »Beides?« Isgrimnurs Blick wurde sofort wieder misstrauisch. »Was für ein Unsinn ist das?« Dann begriff er, wenn auch langsam. »Zwillinge?«
    »Zwillinge.« Josua sah aus, als würde er gleich vor Freude losprusten. »Sie sind wunderbar, Isgrimnur – dick und gesund. Vara hatte recht, Thrithingfrauen sind stark. Kaum einen Laut hat sie von sich gegeben, obwohl es eine Ewigkeit gedauert hat, bis alle beide da waren.«
    »Preis sei Ädon«, sagte der Rimmersmann und schlug das Zeichen des Baumes. »Beide Kinder und die Mutter gesund. Lob und Preis.«
    Seine Augenwinkel wurden feucht. Energisch rieb er sie trocken. »Und Ihr, Josua, seht Euch nur an – Ihr tanzt ja geradezu. Wer hätte gedacht, dass das Vatersein Euch so gefallen würde?«
    Noch immer lächelte der Prinz, aber unter dem Lächeln lag etwas sehr viel Ernsthafteres. »Jetzt habe ich etwas, für das ich leben kann, Isgrimnur. Ich wusste nicht, dass es so sein würde. Es darf ihnen nichts geschehen. Ihr solltet sie sehen – sie sind vollkommen.«
    »Ich werde sie sehen.« Isgrimnur begann seine Decken zurückzuschlagen.
    »Auf keinen Fall!« Josua war entsetzt. »Ihr dürft das Bett nicht verlassen. Eure Rippen …«
    »Sind immer noch dort, wo sie hingehören. Nur ein bisschen eingebeult von einem umgekippten Gaul. Ich habe mich schon schlechter gefühlt. Das meiste hat mein Kopf abbekommen, und der besteht ohnehin nur aus Knochen.«
    Josua hatte Isgrimnur bei den breiten Schultern gepackt, und kurze Zeit hatte es den Anschein, als wollte er wirklich versuchen, den Herzog ins Bett zurückzuzwingen.

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