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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schwelle das Gefühl, ein festes und wohlgebautes Haus zu betreten. Der Sturm, der über Naglimund tobte, hätte meilenweit entfernt sein können.
    Eolair fragte sich, warum das so war, obwohl die Sithi selbst Kälte oder Feuchtigkeit kaum zu empfinden schienen.
    Kira’athu sah auf, als er eintrat. Maegwin, die unter einer dünnen Decke auf ihrem Strohsack lag, warf sich ruhelos hin und her, aber ihre Augen waren noch immer geschlossen, und die Totenblässe war nicht von ihrem Gesicht gewichen.
    »Irgendeine Veränderung?«, fragte Eolair, der die Antwort schon wusste.
    Die Sitha zuckte leicht und geschmeidig die Achseln. »Sie kämpft, aber ich fürchte, sie ist nicht stark genug, um den Griff zu brechen, der sie hält.« Die goldenen Augen glänzten undurchsichtig und gefühllos wie Katzenaugen, aber der Graf wusste, wie viel Zeit sie an Maegwins Seite verbracht hatte. Sie waren eben anders, diese Unsterblichen; sinnlos, sie nach ihren Gesichtern und selbst ihren Stimmen zu beurteilen. »Hat sie mit Euch gesprochen?«, fragte Kira’athu plötzlich.
    Eolair beobachtete Maegwins Finger, die sich in die Decke krallten und nach etwas tasteten, das nicht da war. »Ja, sie hat gesprochen, aber ich konnte sie nicht richtig verstehen. Und was ich vernahm, waren nur unzusammenhängende Laute. Ich fand keinen Sinn darin.«
    Die Sitha hob eine silbrige Braue. »Ich dachte, ich hätte gehört …« Sie sah wieder auf ihren Pflegling, dessen Mund sich jetzt tonlos bewegte.
    »Was gehört?«
    »Die Sprache des Gartens.« Kira’athu breitete die Hände aus und bog die Finger, bis sie die Daumen berührten. »Was Ihr Sithisprache nennen würdet.«
    »Vielleicht hat sie in der Zeit, in der wir mit Euch zusammen ritten und kämpften, etwas davon gelernt?« Eolair trat näher an Maegwins Lager. Der Anblick ihrer rastlos suchenden Hände griff ihm ansHerz. »Es ist möglich«, stimmte die Heilerin zu. »Aber es schien mir gesprochen, wie die Zida’ya sprechen würden … fast.«
    »Was bedeutet das?«, fragte Eolair verwirrt und ein wenig gereizt.
    Kira’athu stand auf. »Verzeiht mir. Ich sollte mit Jiriki darüber sprechen und nicht Euch behelligen. Außerdem ist es wohl nicht so wichtig. Graf Eolair, es tut mir leid. Ich hätte gern bessere Neuigkeiten für Euch gehabt.«
    Er setzte sich neben Maegwin auf den Boden. »Es ist nicht Eure Schuld. Ihr seid sehr gütig gewesen.« Er streckte die Hand aus, damit Maegwin sie ergreifen konnte, aber ihre kalten Finger zuckten unwillig zurück. »Bagba beiß mich, was kann sie wollen?«
    »Gibt es etwas, das sie sonst gewöhnlich bei sich hat oder um den Hals trägt?«, fragte Kira’athu. »Ein Amulett oder etwas anderes, das ihr Trost bringt?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Vielleicht will sie Wasser?«
    Die Sitha schüttelte den Kopf. »Ich habe ihr gerade zu trinken gegeben. «
    Eolair bückte sich und fing an, geistesabwesend die Satteltaschen zu durchforsten, die Maegwins verstreute Habseligkeiten enthielten. Er nahm einen Schal aus warmer Wolle heraus und drückte ihn ihr in die Hand. Aber Maegwin hielt ihn nur einen Moment fest und schob ihn dann fort. Wieder tasteten ihre Hände, während sie wortlos und tief in der Kehle vor sich hinmurmelte.
    Eolair, verzweifelt bemüht, etwas für sie zu tun, begann andere Gegenstände aus den Taschen zu nehmen und sie ihr nach und nach in die Finger zu geben – eine Schale, einen Holzvogel, der offenbar aus der Halle der Schnitzereien im Taig stammte, sogar den Griff eines in der Scheide steckenden Messers. Über diesen letzteren Fund war er wenig erfreut, denn er hatte ihr aus Furcht, dass sie sich in ihrem umnachteten Zustand selbst damit verletzen könnte, verboten, es aus Hernysadharc mitzunehmen. Offenbar hatte sie sich um seine Anweisungen nicht gekümmert. Doch nichts von diesen Stücken und auch keines der anderen kleinen Dinge, die er ihr anbot, wollte sie beruhigen. Mit Handbewegungen, so zornig und jäh wie die eines kleinen Kindes, stieß sie alles fort, obwohl ihr Gesicht dabei unverändertleer blieb. Eolairs Finger schlossen sich um etwas Schweres. Er hob es heraus und starrte auf den trüben Steinbrocken.
    »Was ist das?« Kira’athus Stimme klang unerwartet scharf.
    »Es war ein Geschenk der Unterirdischen.« Er hielt ihr den Stein hin, sodass sie die Vorderseite sehen konnte. »Seht, Yis-fidri hat Maegwins Namen hineingeschnitten – zumindest hat er das gesagt.« Kira’athu nahm ihm den Stein ab und drehte ihn in den

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