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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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barmherziger Usires, Eolair, das sind bittere Neuigkeiten. Und man kann wirklich nichts tun?« Der Graf zuckte die Achseln. »Die Heilerin sagt, es stehe nicht in ihrerMacht. Sie kann nur dafür sorgen, dass es Maegwin körperlich an nichts fehlt.«
    »Ein verfluchtes Schicksal für eine so gute Frau. Es scheint ein Fluch auf Lluths Familie zu liegen.«
    »Das hätte letztes Jahr noch keiner gesagt.« Eolair biss sich auf die Lippen, bevor er fortfuhr. Sein eigener Schmerz wurde immer größer, bis er das Gefühl hatte, ihn herausschreien zu müssen oder daran zu ersticken. »Aber bei Murhaghs Schild, Isorn, ist es denn ein Wunder, dass Maegwin die Götter suchen ging? Ihr Vater wurde erschlagen, der Bruder gefoltert und in Stücke gehackt, ihr Volk in die Verbannung getrieben!« Er rang nach Luft. »Mein Volk! Und jetzt die arme Maegwin – wahnsinnig geworden, im Schnee von Naglimund zum Sterben liegen gelassen. Es ist nicht allein, dass die Götter uns nicht mehr antworten – mir kommt es vor, als seien sie entschlossen, uns zu bestrafen.«
    Isorn schlug das Zeichen des Baumes. »Wir können nicht wissen, was der Himmel plant, Eolair. Vielleicht hat er Größeres mit Maegwin vor, als wir begreifen.«
    »Vielleicht.« Eolair bezwang seinen Zorn. Es war schließlich nicht Isorns Schuld, dass Maegwin dieser Welt entglitt; alle seine Worte waren freundlich und vernünftig. Aber der Graf von Nad Mullach wollte jetzt weder Freundlichkeit noch Vernunft. Er wollte heulen wie ein Wolf in der Frostmark. »Ach, Isorn, bei Cuamhs Biss, du solltest sie sehen! Wenn sie nicht daliegt wie tot, verzerren sich ihre Züge vor Grauen, und ihre Hände verkrampften sich«, er hob die eigenen Hände mit klauenartig gekrümmten Fingern, »so … als suchte sie nach etwas, um sich daran festzuklammern.« Er schlug sich in ohnmächtigem Grimm auf die Knie. »Sie braucht etwas, und ich kann es ihr nicht geben. Sie hat sich verirrt, und ich kann sie nicht finden und nach Hause bringen!« Sein Atem kam in keuchenden Stößen.
    Isorn sah seinen Freund an, und ein verständnisvoller Schimmer trat in seine Augen. »Ach, Eolair. Liebst du sie?«
    »Ich weiß es nicht!« Der Graf schlug einen Augenblick die Hände vor das Gesicht und sprach dann weiter. »Ich habe einmal geglaubt, es würde so weit kommen, aber dann wurde sie hart und kalt zu mirund stieß mich bei jeder Gelegenheit zurück. Erst als der Wahnsinn sich ihrer bemächtigt hatte, gestand sie mir, dass sie mich seit ihrer Kindheit geliebt hatte. Aber weil sie überzeugt war, ich würde sie verschmähen, und sich nicht bemitleiden lassen wollte, wahrte sie stets Abstand, damit ich die Wahrheit nicht entdeckte.«
    »Mutter der Barmherzigkeit«, flüsterte Isorn. Er streckte den sommersprossigen Arm aus und nahm Eolairs Hand. Der Graf fühlte die Kraft der Berührung und hielt Isorns Finger fest.
    »Auch ohne Kriege zwischen Unsterblichen ist das Leben schon verwirrend genug. Götter, Isorn, werden wir denn nie Frieden haben?«
    »Doch – eines Tages«, erwiderte der Rimmersmann. »Eines Tages wird es so weit sein.«
    Eolair drückte die Hand seines Freundes noch einmal fest und ließ sie los. »Jiriki hat gesagt, die Sithi wollten in zwei Tagen aufbrechen. Willst du sie begleiten oder mit mir nach Hernystir zurückgehen?«
    »Ich weiß es noch nicht genau. So, wie mein Kopf sich anfühlt, kann ich jedenfalls nur ganz langsam reiten.«
    »Dann komm mit mir«, bat der Graf und stand auf. »Wir haben jetzt keine Eile mehr.«
    »Verzweifle nicht, Eolair.«
    »Wenn du willst, komme ich nachher wieder und bringe einen Schluck von dem Sithiwein mit. Er würde dir guttun, weil er das Brennen in der Wunde wegnimmt.«
    »Und bestimmt noch einiges andere«, lachte Isorn, »zum Beispiel meinen Verstand. Aber das kümmert mich nicht. Ich gehe nirgendwohin, und niemand erwartet etwas von mir. Bring den Wein mit, wenn du kannst.«
    Eolair klopfte dem Jüngeren auf die Schulter und trat dann durch die Zeltklappe in den beißenden Wind.
     
    Als er zu Maegwin kam, staunte er wieder einmal über die große Kunstfertigkeit der Sithi. Isorns kleines Zelt war von guter Qualität und standfest, aber es zog darin an allen Ecken und Enden, und unten an den Rändern sickerte der schmelzende Schnee herein. Maegwins Zelt war ein Werk der Sithi, weil Jiriki sie so bequem unterbringenwollte wie irgend möglich, und obgleich der glänzende Stoff fast durchscheinend dünn war, hatte man beim Überschreiten der

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