Der Engelsturm
grollte Isgrimnur besorgt. »Nicht über Schiffe. Oder Stürme.«
»Das war kein Scherz.« Der Prinz hielt sich mit der Hand am Stuhl fest, als die Kajüte erneut schwankte. »Sind wir denn nicht verrückt, uns von der Furcht vor einem Stern am Himmel zu diesem Angriff treiben zu lassen?«
Der Herzog betrachtete ihn finster. »Jetzt sind wir hier. Weiß der Himmel, es ist nicht freiwillig, aber wir sind hier.«
»Ja, wir sind hier«, bestätigte Josua. »Also danken wir Gott, dass wenigstens Vara, die Kinder und Eure Gutrun halbwegs sicher in Nabban sitzen.«
»So lange, bis die Ghants dort auftauchen.« Isgrimnur verzog das Gesicht und dachte an das schreckliche Nest. »So lange, bis die Kilpa auf den Gedanken kommen, sich einmal an Land umzuschauen.«
»Und wer ist jetzt der Schwarzseher?«, fragte Josua. »Wir haben doch festgestellt, dass Varellan sich zu einem tüchtigen jungen Mann entwickelt hat, und ein großer Teil der Truppen von Nabban ist bei ihm geblieben. Unsere Frauen sind weit sicherer als wir.«
Das Schiff bebte und schlingerte. Isgrimnur hatte das Bedürfnis zu reden, unbedingt irgendetwas anderes zu tun, als nur dazusitzen und darauf zu horchen, wie die Balken des Schiffsrumpfs platzten –denn so klang es für ihn. »Ich frage mich schon die ganze Zeit etwas: Wenn die Niskies Verwandte der Unsterblichen sind, wie Miriamel erzählt hat, wie können wir ihnen dann vertrauen? Warum sollte ihnen an unserem Feenvolk – Aditus Leuten – mehr liegen als an den Nornen?«
Wie als Antwort auf seine Worte übertönte von neuem ein Niskielied, fremdartig und machtvoll, den heulenden Wind.
»Aber es ist so«, sagte Josua mit lauter Stimme. »Eine der Seewächterinnen opferte ihr Leben, damit Miriamel entkommen konnte. Braucht Ihr einen stärkeren Beweis?«
»Sie haben die Kilpa nicht so ferngehalten, wie es mir lieb gewesen wäre.« Er schlug das Zeichen des Baumes. »Josua, wir sind bereits dreimal angegriffen worden!«
»Und ich zweifle keine Sekunde daran, dass es ohne Nin Reisu und ihre Schwestern und Brüder noch viel öfter gewesen wäre. Ihr wart doch selbst an Deck und habt die verfluchten Teufel überall herumschwimmen sehen. Das ganze Meer ist voll von ihnen.«
Isgrimnur nickte düster. Er hatte tatsächlich gesehen, wie die Kilpa – viel zu viele – die Flotte umschwärmten, gierig wie Aale im Fass. Mehrfach hatten sie das Flaggschiff geentert, einmal sogar am hellen Tag. Trotz der quälenden Schmerzen in seinen Rippen hatte der Herzog zwei der heulenden Scheusale selbst getötet und dann Stunden damit zugebracht, sich das ölige, stinkende Blut von Händen und Gesicht zu waschen. »Ich weiß. Es ist, als hätte unser Feind sie geschickt, um uns aufzuhalten.«
»Vielleicht hat er das.« Josua goss ein wenig Wein in seinen Becher. »Ich finde es nämlich merkwürdig, dass die Kilpa gerade zu der Zeit aus dem Meer steigen, wenn die Ghants ihre Sümpfe verlassen. Unser Feind, Isgrimnur, hat einen langen Arm.«
»Der kleine Tiamak glaubt, dass Sturmspitze ihn und die anderen Wranna auf irgendeine Weise dazu benutzt hätte, mit diesem Ungeziefer zu reden.« Beim Gedanken an Tiamaks Landsleute, die von den Ghants missbraucht, wie Kerzen abgebrannt und dann fortgeworfen worden waren, und an die unzähligen, von den Kilpa in einen grausigen Tod hinabgezogenen Nabbanai-Seeleute ballte der Herzog die Faust und hätte am liebsten etwas zum Draufschlagen gehabt.»Was für ein Dämon ist zu solchen Dingen fähig, Josua? Was ist das für ein Feind, den wir nicht sehen und nicht mit dem Schwert treffen können?«
»Unser allergrößter Feind.« Der Prinz nippte an seinem Wein und schwankte mit den Bewegungen des Schiffs. »Ein Feind, den wir um jeden Preis besiegen müssen.«
Die Kajütentür schwang auf. Camaris hielt sich am Rahmen fest und trat dann ein. Seine Schwertscheide scharrte am Holz. Vom Mantel des alten Ritters tropfte das Wasser.
»Camaris?« Josua kam ihm entgegen. »Was hat Nin Reisu gesagt?« Er goss ihm Wein ein. »Wird die Juwel von Emettin noch eine Nacht halten?«
Der alte Mann leerte den Becher und starrte an die Lee.
»Camaris?«, wiederholte Josua. »Was hat Nin Reisu gesagt?«
Der Ritter hob langsam den Kopf. »Ich kann nicht schlafen.«
Der Prinz und Isgrimnur tauschten einen besorgten Blick.
»Ich verstehe Euch nicht«, meinte Josua.
»Ich war an Deck.«
Isgrimnur dachte, dass das nach der Wasserpfütze am Boden offensichtlich war. Der alte Ritter schien heute
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