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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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im Blut lag wie allen Tinukeda’ya, selbst denen, die es vorzogen, mit dem Meer zu leben.«
    »Tinukeda’ya?« Es dauerte einen Augenblick, bis sie das Wort erkannte. »Aber das ist doch das, was Gan Itai … das sind die Niskies!«
    »Wir alle sind Kinder des Ozeans«, sagte der Unterirdische feierlich. »Manche entschieden sich dafür, am Meer zu bleiben, dasuns für immer vom Garten unserer Geburt trennt. Andere wählten heimlichere und verborgenere Wege, die in die dunklen Tiefen der Erde führten, und die Aufgabe, den Stein zu formen. Anders als unsere Verwandten, die Zida’ya und Hikeda’ya, können wir Kinder des Seefahrers auch uns selbst gestalten und so veränderten wir uns über die Jahrhunderte.«
    Miriamel war zutiefst betroffen. »Ihr … ihr und die Niskies seid ein Volk?« Jetzt verstand sie, warum ihr Yis-fidri im ersten Augenblick so eigentümlich bekannt vorgekommen war. Es lag etwas in seinem Knochenbau, seiner Art, sich zu bewegen, das sie an Gan Itai erinnert hatte. Aber sie sahen so unterschiedlich aus!
    »Wir sind nicht mehr ein Volk. Der Vorgang des Wandels erstreckt sich über Generationen, und es verändert sich mehr als nur unsere äußere Erscheinung. Vieles aber bleibt, wie es ist. Die Kinder der Morgendämmerung und die Wolkenkinder sind unsere Vettern, doch die Seewächter sind unsere Geschwister.«
    Miriamel lehnte sich zurück und versuchte, das Gehörte zu verdauen. »Das heißt, ihr und die Niskies gehört zusammen. Und Niskies schmiedeten Dorn.« Sie schüttelte den Kopf. »Dann soll das also heißen, dass ihr alle die Großen Schwerter fühlen könnt, und zwar noch stärker als den Weißen Pfeil?« Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Dann müsst ihr doch auch wissen, wo Hellnagel ist, das Schwert, das früher Minneyar hieß?«
    Yis-fidri lächelte traurig. »Ja, obwohl euer König Johan es mit vielen Gebeten und Menschenzauberei belegte, als wollte er damit seine wahre Beschaffenheit verbergen. Aber man kennt seine eigenen Arme und Hände, Miriamel, nicht wahr? Würdest du sie weniger gut kennen, wenn sie noch immer mit dir verbunden wären, aber Jacke und Handschuhe eines anderen Sterblichen trügen?« Eine sonderbare Vorstellung, dass ihr ruhmreicher Großvater sich so angestrengt hatte, Hellnagels Herkunft zu verschleiern. Schämte er sich, eine solche Waffe zu besitzen? Warum? »Wenn ihr die Schwerter so gut kennt, könnt ihr mir dann sagen, wo sich Hellnagel im Augenblick befindet?«
    »Ich kann nicht sagen ›dort oder dort‹, nein. Aber es ist nicht weit von hier. Irgendwo im Umkreis von ein paar tausend Schritten.«
    Also entweder in der oberen oder der unteren Burg, dachte Miriamel. Keine große Hilfe, aber wenigstens hatte ihr Vater es nicht ins Meer werfen oder nach Nascadu schaffen lassen. »Seid ihr den Schwertern gefolgt?«
    »Nein. Wir sind vor anderen Ereignissen geflohen, vertrieben aus unserer Stadt im Norden. Wir wussten zwar, dass sich zwei der Schwerter hier befanden, aber es hatte damals keine große Bedeutung für uns. Wir flohen durch unsere Tunnel und gelangten so hierher. Erst als wir schon fast in Asu’a waren, erkannten wir, dass sich auch hier Kräfte regten.«
    »Und nun wisst ihr nicht mehr, wohin ihr fliehen sollt.« Sie sagte es mit einer gewissen Missbilligung, wusste aber dabei, dass die Lage der Unterirdischen sehr viel Ähnlichkeit mit ihrer eigenen aufwies. Auch sie stand unter einem Zwang, der stärker war als sie selbst. Einst war sie vor ihrem Vater geflohen und hatte die ganze Welt zwischen ihn und sich legen wollen. Nun hatte sie ihr Leben und das ihrer Freunde aufs Spiel gesetzt, um zurückzukehren und ihn wiederzufinden, und doch fürchtete sie sich vor den möglichen Folgen einer solchen Begegnung. Sie schob die nutzlosen Gedanken beiseite. »Entschuldige, Yis-fidri. Ich bin nur müde vom langen Herumsitzen.«
    Am ersten Tag hatte es ihr bei aller Empörung über ihre Gefangenschaft gutgetan, sich einmal richtig auszuruhen. Jetzt aber sehnte sie sich danach, von hier fortzukommen, sich zu bewegen, etwas zu tun, ganz gleich, was. Hier war sie mit ihren Gedanken eingeschlossen, und die waren keine angenehme Gesellschaft.
    »Es tut uns aufrichtig leid, Miriamel. Du kannst in der Höhle herumlaufen, soviel dir beliebt. Wir haben versucht, dir alles zu geben, was du brauchst.«
    Ein Glück für die Unterirdischen, dachte Miriamel, dass sie ihr Gepäck mit den Vorräten mitgenommen hatten. Hätte sie sich von den Speisen der

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