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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Tiamaks Arm.
    »Seid Ihr das?« Vater Strangyeards Stimme klang verdrießlich.
    »Ja.«
    »Wir sollten eigentlich beide nicht hier oben sein«, meinte der Archivar. »Sludig wird toben.«
    »Sludig hätte recht«, erwiderte Tiamak. »Überall sind Kilpa.« Trotzdem blieb er, wo er war. In der engen Kajüte war ihm das Denken schwergefallen, und die Gedanken, die ihm undeutlich durch den Kopf gingen, kamen ihm zu wichtig vor, um sie aus Furcht vor ein paar Seeungeheuern wieder fahren zu lassen, auch wenn diese Furcht sehr berechtigt war. »Ich sehe schlecht«, erklärte Strangyeard und spähte besorgt ins Dunkel. Er hielt die Hand an das gesunde Auge, um es vor dem starken Wind zu schützen. »Wahrscheinlich sollte ich mich nicht nachts an Deck herumtreiben. Aber ich … ich machte mir Sorgen um Euch. Ihr wart so lange weg.«
    »Ich weiß.« Tiamak klopfte dem Älteren freundschaftlich auf die Hand, die auf der verwitterten Reling lag. »Ich denke über das nach, was ich Euch vorhin erzählt habe – was mir eingefallen ist, als Camaris gegen Benigaris kämpfte.« Im selben Moment bemerkte er zum ersten Mal die ungewohnten Bewegungen des Schiffs. »Liegen wir denn vor Anker?«, fragte er.
    »Ja. Das Hayefur in Wentmünd brennt nicht, und Josua hatte Angst, im Dunkeln den Felsen zu nah zu kommen. Er hat eine Botschaft mit der Signallampe geschickt.« Der Archivar schauderte. »Aber das Warten macht es noch schlimmer. Diese widerlichen grauen Unholde …«
    »Dann wollen wir doch lieber nach unten gehen. Ich glaube, es wird sowieso bald wieder regnen.« Tiamak trat von der Reling zurück. »Wir werden etwas von Eurem Wein aufwärmen – ein Trockenländerbrauch, den ich schätzen gelernt habe – und weiter über die Schwerter nachdenken.« Er nahm den Priester beim Ellenbogen und führte ihn zur Kajütentür.»So ist es doch besser«, stellte Strangyeard fest. Er hielt sich an der Wand fest, während das Schiff in ein Wellental tauchte, und reichte dann dem Wranna den überschwappenden Becher. »Ich sollte wohl besser die Kohlen abdecken. Es wäre schrecklich, wenn das Becken umkippte. Meine Güte! Ich hoffe nur, dass die anderen auch so vorsichtig sind.«
    »Ich glaube nicht, dass Sludig vielen anderen an Bord Kohlenbecken oder auch nur Laternen gestattet, außer an Deck.« Tiamak nahm einen Schluck Wein und schmatzte mit den Lippen.
    »Ah! Gut. Nein, wir werden bevorzugt, denn wir müssen lesen, und die Zeit ist kurz.«
    Der Archivar ließ sich am Boden auf seinem Strohsack nieder und schaukelte sanft mit den Bewegungen des Schiffs. »Das heißt, wir sollten weiterarbeiten.« Er trank aus seinem Becher. »Verzeiht mir, Tiamak, aber kommt Euch nicht auch manchmal alles sinnlos vor? Alle unsere Hoffnungen an drei Schwerter zu hängen, von denen sich zwei nicht einmal in unserem Besitz befinden?« Er starrte in seinen Wein.
    »Ich bin in gewisser Weise spät zu diesen Dingen gekommen.«
    Tiamak machte es sich bequem. Das Schwanken des Schiffs war zwar heftig, unterschied sich dabei aber gar nicht so sehr von der Art, wie der Wind sein Häuschen im Banyanbaum rüttelte. »Wenn Ihr mich vor einem Jahr gefragt hättet, ob ich mir vorstellen könnte, einmal auf einem Schiff zu sitzen, das nach Erkynland segelt, um den Hochkönig vom Thron zu stürzen – ein Träger der Schriftrolle zu sein, Camaris’ Wiedergeburt zu erleben, vom Herzog von Elvritshalla und der Tochter des Hochkönigs aus einem Ghantnest gerettet zu werden …« Er spreizte die Hände. »Ihr versteht, was ich meine. Alles, was uns widerfahren ist, scheint Wahnsinn zu sein, aber wenn wir genauer hinschauen, sieht es doch nach einer logischen Entwicklung aus. Vielleicht wird uns einmal ebenso klar sein, wie man die Schwerter erringt und einsetzt.«
    »Ein schöner Gedanke.« Strangyeard seufzte und schob die leicht verrutschte Augenklappe zurecht. »Mir ist es immer lieber, wenn schon alles vorbei ist. Zwar können auch Bücher verschiedene Meinungen haben, aber wenigstens behauptet jedes Buch, die Wahrheit zu kennen und sie klar und deutlich zu schildern.«
    »Vielleicht stehen wir eines Tages auch in einem Buch«, meinte Tiamak, »und der, der es schreibt, wird fest überzeugt sein, für alles eine Erklärung zu haben. Aber im Augenblick müssen wir auf diesen Luxus verzichten.« Er beugte sich vor. »Wo ist die Stelle in Morgenes’ Schrift, die vom Schmieden des Schwertes Leid berichtet?«
    »Hier, glaube ich.« Strangyeard raschelte in einem der vielen

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