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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gekommen bin. Aber ich höre das Lied und fühle, wie der Stern in mir brennt, bei Tag und bei Nacht. Er hat einen feurigen Schweif wie ein Drache …« Er hielt inne. »Ich werde zu ihnen hinausgehen.«
    »Was?« Pryrates kam zurück und trat ans Lager des Königs.
    »Ich werde zu ihnen hinausgehen – zu Josua und den anderen. Vielleicht ist das die Zeit, die das Schwert meint – die Zeit, ihnen zu zeigen, dass ich nicht mehr der bin, den sie gekannt haben, und dass ihr Widerstand töricht ist.« Er legte die Hände an sein Gesicht. »Sie sind … sie sind mein Blut, Pryrates.«
    »Majestät, ich …« Der Priester schien einen Augenblick unsicher. »Sie sind Eure Feinde, Elias. Sie wollen Euch schaden.«
    Das Lachen des Königs war fast ein Schluchzen. »Und Ihr meint es gut mit mir, nicht wahr? Und darum quälen mich auch jede Nacht, seit Ihr mich auf jenen Berg führtet, Träume, mit denen Gott nicht einmal die Sünder in der Hölle strafen würde? Darum brennt und schmerzt mein Körper, dass ich am liebsten laut aufschreien würde?«
    Pryrates runzelte die Stirn. »Ihr habt gelitten, mein König, aber Ihr wisst, warum. Die Stunde ist sehr nah. Lasst Eure Marter nicht umsonst gewesen sein.«
    Elias winkte ab. »Entfernt Euch. Ich will nicht mehr darüber sprechen. Ich werde tun, was mir am besten scheint. Ich bin der Herr dieser Burg und dieses Landes.« Eine heftige Gebärde. »Verschwindet, verdammter Priester. Ich habe Schmerzen.«
    Der Alchimist verbeugte sich. »Ich bete, dass Ihr Ruhe findet, Majestät. Erlaubt mir, Euch zu verlassen.«
    Er ging. Der König lag da und starrte in die Schatten an der Decke hinauf.
    Nachdem er eine lange Minute schweigend draußen gewartet hatte, schlich der Priester zu der geschlossenen Tür zurück. Er strich mit der Hand mehrmals über Angeln, Rahmen und Riegel. Seine Lippen bewegten sich lautlos. Als er fertig war, nickte er und entfernte sich mit raschen Schritten. Seine Stiefelabsätze klickten über den steinernen Boden des Korridors.

    Tiamak und Strangyeard gingen dicht nebeneinander den Berg hinunter. Es schneite nicht mehr, aber am Boden lag der Schnee so hoch, dass sie trotz der vergleichsweise geringen Entfernung zwischen dem Lager der Sithi und den Feuern des prinzlichen Heeres nur langsam vorwärtskamen.
    »Ich bin kurz davor, zu Eis zu gefrieren«, meinte Tiamak zähneklappernd. »Wie hält Euer Volk das aus?«
    Auch Strangyeard schnatterte vor Kälte. »Dieses Wetter ist auch für uns schrecklich. Dabei haben zumindest die Glücklicheren unter uns dicke Mauern, hinter denen sie sich verschanzen können, und Feuer.« Er stolperte und landete auf den Knien in einer großen Schneewehe. Tiamak half ihm auf. Die untere Hälfte des Priestergewandes war voller Schnee, der nicht abfallen wollte. »Ich stehe in Versuchung zu fluchen«, bemerkte Strangyeard und lachte unfroh; sein Atem stand in der Luft wie eine Wolke.
    »Kommt, stützt Euch auf mich«, forderte Tiamak ihn auf. Daszerzauste Haar und traurige Gesicht des Priesters griffen ihm ans Herz. »Irgendwann einmal müsst Ihr mich im Wran besuchen. Auch dort ist nicht alles eitel Wonne, aber es ist nie kalt.«
    »Das hört sich gerade jetzt w-wunderbar an.«
    Der Wind hatte die Sturmwolken vertrieben, und eine Prise Salz aus trüben Sternen schimmerte am Nachthimmel. Tiamak starrte nach oben. »Er sieht so nah aus.«
    Strangyeard folgte seinem Blick, stolperte wieder, fing sich aber gleich. Der Erobererstern schien fast senkrecht über dem Hochhorst zu stehen, ein feuriges Loch in der Dunkelheit mit einem Schweif wie eine Blutspur. »Er ist nah«, bestätigte der Priester. »Ich kann ihn fühlen. Plesinnen schrieb einst, dass solche Sterne üble Luft über die Welt blasen. Bis h-heute wusste ich nie recht, ob ich ihm glauben sollte, aber wenn es je einen Stern gegeben hat, der die Pest mit sich brachte, dann diesen.« Er schlang die Arme um den Körper. »Manchmal frage ich mich, ob dies die letzten Tage der Menschheit sind, Tiamak.«
    Der Marschmann wollte darüber nicht nachdenken. »Die Sterne sind hier alle ein wenig merkwürdig. Immer wieder denke ich, ich würde den Otter oder den Sandkäfer wiedererkennen, aber dann kommen sie mir auseinandergezogen und verändert vor.«
    Strangyeard kniff sein einziges Auge zusammen. »Mir kommen die Sterne auch seltsam vor.« Er schauderte und senkte den Blick auf den kniehohen Schnee. »Ich fürchte mich, Tiamak.«
    Seite an Seite stapften sie dem Lager zu.
     
    »Das

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