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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schlimmste ist«, sagte Tiamak und hielt die Hände über das Feuer, »dass wir immer noch keine besseren Antworten auf unsere Fragen haben als damals, als Morgenes Jarnauga den ersten Sperling schickte. Der Plan des Sturmkönigs ist uns ein Rätsel, und für die Schwerter – unsere einzige Möglichkeit, ihn zu besiegen – gilt das Gleiche.« Das kleine Zelt war trotz der Öffnung in der Decke voller Qualm, aber das war Tiamak im Augenblick gleichgültig; ein wenig erinnerte es ihn sogar an zu Hause.
    »Das stimmt nicht ganz.« Strangyeard hustete und versuchte, den Rauch von sich fortzuwedeln. »Ein paar Dinge wissen wir – zum Beispiel, dass Minneyar Hellnagel ist.«
    »Aber dazu musste erst dieser Hernystiri kommen«, versetzte Tiamak unzufrieden. »Ihr braucht kein schlechtes Gewissen zu haben, Strangyeard. Nach allem, was ich gehört habe, wart Ihr ihnen eine große Hilfe, als es darum ging, Dorn zu finden. Nein, ich bin es, der wenig dafür getan hat, seine Mitgliedschaft im Bund der Schriftrolle zu rechtfertigen.«
    »Ihr seid zu hart mit Euch selbst«, meinte der Archivar. »Ihr habt uns die Seite aus Nisses’ Buch gebracht, mit deren Hilfe Camaris wieder zu sich selbst gebracht werden konnte.«
    »Habt Ihr ihm einmal in die Augen gesehen, Strangyeard? Haben wir ihm damit nicht einen Bärendienst erwiesen? Und es sieht so aus, als sei er im Begriff, den neugefundenen Verstand gerade wieder zu verlieren. Wir hätten ihn in Ruhe lassen sollen.«
    Der Priester stand auf. »Verzeiht mir, aber dieser Rauch …« Er hob die Zeltklappe und schwenkte sie heftig. Ein Schwall kalter Luft drang ein und pustete den größten Teil des Qualms wieder nach innen. Die beiden Gelehrten fröstelten. »Tut mir leid«, murmelte Strangyeard betrübt.
    Tiamak winkte ihm, sich hinzusetzen. »Etwas besser ist es. Meine Augen brennen nicht mehr so stark.« Er seufzte. »Und dieses Gerede von einem Fünften Haus – habt Ihr bemerkt, wie betroffen die Sithi aussahen? Sie mögen behauptet haben, sie wüssten nichts davon, aber ich glaube ihnen nicht. Es hat ihnen nicht gefallen.« Der Wranna hob die mageren Schultern. Er hatte von Aditu gelernt, dass etwas, das die Sithi nicht zu erörtern wünschten, ein Geheimnis blieb. Sie waren zwar höflich, konnten aber, wenn sie es für angebracht hielten, von hartnäckiger Undeutlichkeit bleiben. »Wahrscheinlich kommt es nicht so darauf an. Morgen früh beginnt die Belagerung, Camaris und die anderen werden versuchen, sich in die Burg zu schleichen, und was immer Sie-die-wachen-und-gestalten beschließen … es wird geschehen.«
    Strangyeard betrachtete ihn. Das Auge ohne Klappe war rotgerändert und tränte. »Eure Wran-Götter scheinen Euch nicht viel Trost zu spenden, Tiamak.«
    »Aber es sind meine Götter«, antwortete der Marschmann. »Ich glaube nicht, dass mir Euer Gott mehr Frieden bescheren könnte.«Er sah auf und erschrak über den schmerzlichen Ausdruck im Gesicht des Archivars. »Oh! Es tut mir leid, Strangyeard. Ich wollte Euch nicht kränken. Ich bin nur zornig … und fürchte mich, genau wie Ihr.«
    Bitte, lasst mich meine Freunde nicht verlieren. Dann hätte ich gar nichts mehr.
    »Natürlich«, sagte der Archivar und seufzte. »Mir geht es ja nicht anders. Ich kann das Gefühl nicht loswerden, dass mir etwas Wichtiges genau vor Augen liegt – etwas höchst Einfaches, so wie Ihr gesagt habt. Ich spüre, dass es da ist, aber ich kriege es nicht fassen.« Er starrte auf seine verschränkten Finger. »Es macht mich ganz wütend. Ich bin fest überzeugt, dass wir etwas ganz Offensichtliches übersehen haben oder noch übersehen werden. Es kommt mir vor, als durchblätterte ich ein wohlbekanntes Buch und suchte nach einer bestimmten, schon oft gelesenen Seite, die ich jetzt nicht mehr finden kann.« Er seufzte wieder. »Kein Wunder, dass wir im Augenblick nicht besonders glücklich sind, mein Freund.«
    Tiamak wurde bei dem Wort »Freund« warm ums Herz, aber seine Sorgen ließen ihn trotzdem nicht los. »Da ist noch etwas, das mich bekümmert«, fuhr er fort.
    »Nämlich?« Strangyeard reckte sich, hob kurz die Zeltklappe an und ließ sie wieder fallen.
    »Mir ist klargeworden, dass ich mit Camaris und den anderen hinab in die Tiefe steigen muss.«
    »Was? Gesegnete Elysia, Tiamak, was soll das heißen? Ihr seid doch kein Krieger.«
    »Gerade deshalb. Weder Camaris noch einer der Sithi hat Morgenes’ Buch gelesen oder, wie Ihr, die Archive von Naglimund studiert oder von

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