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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Felsbrocken.
    »Schnell jetzt, schnell!«, mahnte Yis-fidri. »Wir haben sie überrascht, aber es können bald mehr werden!« Der energische Ton konnte sein Entsetzen nicht verhehlen; die untertassengroßen Augen drohten aus ihren Höhlen zu treten. Einer der anderen Unterirdischen warf einen Stein auf den Nornen, der auf Yis-fidri geschossen hatte. Die Bewegung sah ungeschickt aus, aber das Wurfgeschoss war so schnell, dass der bleiche Unsterbliche zurücktaumelte, bevor der Arm des Unterirdischen sich noch gesenkt hatte, und zusammenbrach.
    »Lauft!«, rief jetzt Binabik. »Bevor neue Bogenschützen kommen!«
    Miriamel, den Nornenbogen noch in der Hand, rannte ihm in denTunneleingang nach. Unterwegs las sie ein paar verstreute Pfeile auf. Simons Pfeil steckte sie in den Gürtel, damit er nicht verlorenging. Stattdessen legte sie einen der schwarzen Pfeile auf die Sehne. Dabei warf sie einen Blick zurück. Yis-fidri und die anderen Unterirdischen zogen sich rückwärtsgehend zurück, die angstvollen Augen auf die Nornen gerichtet, die ihnen langsam folgten. Die Weißfüchse achteten darauf, nicht in Reichweite der langen Unterirdischenarme zu geraten, waren aber sichtlich nicht bereit, die Feinde einfach davonkommen zu lassen. Trotz des Gemetzels und des halben Dutzends Leichen, die in der Vorhöhle und der aufgesprengten Tür lagen, wirkten die Nornen so ruhig und gelassen wie Insekten auf der Jagd.
    Miriamel machte kehrt und beschleunigte den Schritt. Binabik hatte eine Fackel angezündet. Sie folgte dem Licht in den holprigen Tunnel.
    »Sie sind immer noch hinter uns her«, keuchte sie.
    »Dann müssen wir laufen, bis wir einen besseren Kampfplatz finden«, rief der Troll zurück. »Wo ist der Mönch Cadrach?«
    »Weiß nicht.«
    Und vielleicht ist es für alle am besten, wenn er dahinten umgekommen ist. Ein grausamer Gedanke, aber gerecht, fand Miriamel.
    Sie folgte der hüpfenden Fackel.

    »Josua ist fort?« Isorn war zutiefst bestürzt. »Aber wie konnte er nur sein eigenes Leben aufs Spiel setzen, selbst für Camaris?«
    Isgrimnur konnte seinem Sohn keine Antwort darauf geben. Er zupfte grimmig an seinem Bart und bemühte sich, scharf nachzudenken. »Es ist nun einmal so«, sagte er schließlich und sah auf die Runde der anderen unglücklichen Gesichter im Zelt. »Ich habe Soldaten stundenlang die Höhlen absuchen lassen – ohne Erfolg. Die Sithi bereiten sich schon darauf vor, den beiden nachzugehen, und Tiamak wird sie begleiten.« Er atmete so kräftig aus, dass sein Schnurrbart flatterte. »Ja, verdammt, Männer, Josua hat uns einen schweren Stein in den Weg geworfen, aber umso wichtiger ist esjetzt, Elias unbedingt abzulenken. Für Tränen ist im Moment keine Zeit.«
    Sludig spähte durch die Türklappe. »Der Morgen graut schon, Herzog Isgrimnur, und es schneit wieder. Die Männer wissen, dass etwas Ungewöhnliches geschehen ist; sie werden unruhig. Wir sollten einen Entschluss fassen, Herr.«
    Der Herzog nickte. Innerlich verfluchte er das Geschick, das ihm statt Josua die Stellung des Anführers in den Schoß geworfen hatte. »Wir werden vorgehen wie geplant. Alles, was sich seit unserem gestrigen Kriegsrat geändert hat, ist, dass Josua fehlt. Darum brauchen wir nicht nur einen Schauspieler, sondern zwei.«
    »Ich bin bereit«, erklärte Isorn. »Ich habe Camaris’ Wappenrock.« Er zog sein Schwert aus der Scheide. Klinge und Heft glänzten schwarz. »Und seht – ein wenig Farbe, und es wird zu Dorn.« Er fing Isgrimnurs verzagten Blick auf. »Vater, du warst damit einverstanden, und es hat sich nichts Neues ergeben. Von allen, denen wir das Geheimnis anvertrauen können, bin ich als Einziger groß genug, um für Camaris durchzugehen.«
    Der Herzog betrachtete ihn düster. »Das stimmt. Aber weil du Camaris’ Rolle spielen sollst, darfst du dir nicht einbilden, du wärst wirklich er. Du musst am Leben und auf deinem Pferd sitzen bleiben, damit man dich sieht. Aber lass dich nicht auf törichte Wagnisse ein.«
    Isorn blitzte ihn unzufrieden an, empört, nach allem, was er hinter sich gebracht hatte, noch immer wie ein Kind behandelt zu werden. Fast bedauerte Isgrimnur seine väterliche Besorgnis – fast, aber nicht ganz. »Also gut. Und wer soll Josua darstellen?«
    »Gibt es denn jemanden, der mit der linken Hand ficht?«, erkundigte sich Sludig.
    »Er hat recht«, fiel Freosel ein. »Niemand wird an einen Josua glauben, der eine rechte Hand hat.«
    Isgrimnur wurde immer ärgerlicher. Was für

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