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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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überwältigen und dann auf den Schultern zurückschleppen muss. Aber sag um Gottes willen Isgrimnur, er soll sich mit den Fackeln und den Männern beeilen. Los jetzt, Junge, lauf!«
    Jeremias zauderte noch eine Sekunde und verschwand dann. Josua kletterte das kurze Stück bis zu seiner Fackel, die flackernd auf einem lehmigen Felsvorsprung lag, und stieg dann den Rest des Hangs zum Strand hinunter. Rasch lief er zu der Stelle, an der Camaris verschwunden war, einem Höhleneingang, der sich von den anderen im Kliff nicht weiter unterschied. Er sammelte ein paar Steine, die er neben der Öffnung aufschichtete, und trat dann ein. Die Fackel hielt er vor sich.
     
    Isgrimnur starrte den Soldaten an. »Was soll das heißen – er ist verschwunden?«
    Der Mann sah ihm halb entschuldigend, halb abwehrend in die Augen. »Genau das, Herzog Isgrimnur. Das Loch teilt sich und führt in verschiedene Richtungen. Wir dachten, wir hätten oben an den Wänden Spuren wie von einer Fackel gesehen, aber es war niemand zu finden. Wir haben auch die anderen Gänge alle durchsucht. Es sind die reinsten Wurmlöcher, ein Tunnel neben dem anderen.«
    »Und ihr habt gerufen?«
    »Den Namen des Prinzen, so laut wir konnten. Keine Antwort.«
    Isgrimnur blickte auf das Loch in der Wand des Kliffs und dann auf Sludig. »Der Erlöser bewahre uns«, stöhnte er. »Beide verschwunden. Jetzt müssen wir ihnen die Sithi nachschicken.«
    Er wandte sich an den Soldaten. »Ich komme noch vor Sonnenaufgang zurück. Bis dahin sucht und ruft weiter.«
    Der Mann nickte. »Jawohl, Herr.«
    Isgrimnur zupfte noch einen Augenblick an seinem Bart und ging dann am Strand entlang zurück. »Ach, Josua«, sagte er leise. »Du Narr. Und ich bin auch einer. Wir alle sind Narren.«

28
Verlassene Pfade

    inabik berührte ihren Arm. »Woran denkst du, Miriamel?«
    »Ich frage mich, was wir tun können.« In ihrem Kopf dröhnte es. Die dunkle Höhle schien immer enger zu werden. »Irgendwie müssen wir hier herauskommen. Ich will nicht in dieser Falle enden.« Sie hielt den Atem an und sah zu Cadrach hinüber, der sich auf der anderen Seite der Höhle an die Wand kauerte. »Wie konnte er so etwas tun, Binabik? Wie konnte er uns so verraten?«
    »Damals kannte er dich nicht«, meinte der Troll. »Darum konnte er auch nicht wissen, dass du es warst, die er verriet.«
    »Aber danach hat er uns auch nichts gesagt. Er hat gar nichts gesagt! Und dabei waren wir so lange gemeinsam unterwegs.«
    Binabik senkte den Kopf. »Es ist geschehen. Jetzt müssen wir über anderes nachsinnen.« Er wies auf die Unterirdischen, die einen Kreis gebildet hatten, in dem sie saßen und sangen. »Sie meinen, die Nornen kommen bald. Schon bröckelt der Zauber. Die Tür wird nicht viel länger halten.«
    »Also bleiben sie einfach sitzen und warten«, sagte Miriamel bitter. »Ich kann sie genauso wenig begreifen wie Cadrach.« Sie stand auf und ging an dem Troll vorbei. »Yis-fidri! Warum starrst du hier Löcher in die Luft, während vor der Tür die Nornen stehen? Begreifst du nicht, was uns allen bevorsteht?« Sie hörte, wie ihre Stimme hoch und schrill wurde, aber es kümmerte sie nicht.
    Die Unterirdischen blickten furchtsam und mit offenen Mündern zu ihr auf. Miriamel fand, sie sähen aus wie ein Nest mit Jungvögeln. »Wir warten …«, begann Yis-fidri.
    »Ihr wartet! Genau das ist es – ihr wartet einfach.« Miriamel bebte vor Zorn. Ja, sie warteten alle nur darauf, dass diese fischbauchweißenFratzen hereinkamen und sie alle mitnahmen. »Dann können wir doch die Tür auch gleich öffnen. Warum wollen wir es hinausschieben? Binabik und ich werden kämpfen, um uns einen Weg zu bahnen, und vermutlich erschlagen werden – erschlagen, weil ihr uns gegen unseren Willen in dieses Loch geschleppt habt –, und ihr werdet sitzen bleiben und euch abschlachten lassen. Darum hat es gar keinen Zweck, noch länger zu warten.«
    Yis-fidri glotzte. »Aber … vielleicht gehen sie wieder weg …«
    »Das glaubst du doch selber nicht. Komm schon, mach die Tür auf!« Die Furcht in ihr tobte wie die vom Sturm aufgewühlte See. Sie bückte sich, packte das lange Handgelenk des Unterirdischen und zerrte daran. Er war so unbeweglich wie Stein. »Steh auf, verdammter Kerl!«, schrie sie und riss, so hart sie konnte. Die Unterirdischen gurgelten erschrocken aufeinander ein. Yis-fidris Augen weiteten sich vor Bestürzung. Mit einer kurzen, leichten Bewegung seines kraftvollen Arms löste er Miriamels Griff.

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