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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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blickte erstaunt auf. Der Prinz stand da und starrte auf eine Gestalt im Hintergrund, die der vorderste Sitha noch nicht erreicht hatte. Es war ein hochgewachsener Mann mit einem langen Schatten in einer Hand. Josua rannte um den Teich herum auf ihn zu. Die Sithi, durch sein Verhalten von der Wasserfläche abgelenkt, liefen hinterher. Tiamak vergaß den Schmerz in seinem Bein und hinkte ihnen hastig nach.
    Auf einmal kam es ihm vor, als habe der Prinz sich geirrt und wer immer dort stehe, sei nicht Camaris; für den Bruchteil einer Sekunde sah er eine ganz andere Erscheinung, mit ebenholzschwarzem Haar und fremdartigen Gewändern, eine Krone von Zweigen auf dem Haupt. Dann schien die Halle zu beben und zu bocken, und der Wranna stolperte; als er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, sah er nur noch den alten Ritter. Camaris blickte auf, als die Ankömmlinge sich näherten, und wich mit schreckgeweiteten Augen einen Schritt zurück, das schwarze Schwert schützend erhoben. Josua und die Sithi blieben in sicherer Entfernung stehen.
    »Camaris«, sagte der Prinz, »ich bin es, Josua. Seht mich an, Ihr kennt mich. Ich habe Euch gesucht.«
    Der alte Mann starrte ihn an, behielt das Schwert aber in Verteidigungsstellung. »Es ist eine sündige Welt«, murmelte er heiser.
    »Camaris, ich möchte Euch begleiten«, fuhr Josua fort. »Wohin Ihr auch geht. Fürchtet Euch nicht. Ich will Euch nicht aufhalten.«
    Likimeyas Stimme war überraschend sanft. »Wir können Euch helfen, Hikka Ti-tuno. Wir werden Euch nicht hindern, aber wir können Euren Schmerz lindern.« Sie trat einen Schritt vor und hielt ihm die offenen Handflächen hin. »Erinnert Ihr Euch an Amerasu Schiffgeborene?«
    Der alte Mann fletschte in einer Grimasse des Schmerzes oder der Angst die Zähne und holte mit Dorn aus, als wollte er zuschlagen. Das Schwert des dunklen Kuroyi zischte aus der Scheide, als er vor Likimeya sprang.
    »Unnötig«, sagte sie kalt. »Steckt das Schwert wieder ein.«
    Der lange Sitha zauderte kurz und ließ dann sein Hexenholzschwert in die Scheide zurückgleiten. Auch Camaris senkte die schwarze Klinge.
    »Schade.« Aus Kuroyis Stimme klang echtes Bedauern. »Ich wollte immer schon gern wissen, wie es ist, mit dem größten der sterblichen Krieger die Klinge zu kreuzen.«
    Bevor noch jemand etwas sagen konnte, begann das Licht wild zu flackern und erlosch. Finsternis erfüllte den Raum. Gleich darauf wurde es wieder hell, aber jetzt war die neblige Luft blau wie das Herz einer Flamme. Tiamak spürte einen eisigen Wind, der durch seinen ganzen Körper zu wehen schien, und die Spannung in der Luft wuchs, bis es ihm in den Ohren dröhnte.
    »Wie sehr ihr doch die Menschen liebt.« Die entsetzliche Stimme hallte durch seinen Kopf und durch Mark und Bein. Die Worte krochen über seine Haut wie Insekten. »Ihr könnt sie nicht in Ruhe lassen.«
    Sie fuhren herum. Hinter ihnen formte sich aus dem brodelnden Dunst eine Gestalt. Im bleichen Gewand und mit silberner Maske thronte sie mitten in der Luft über dem Teich. Das matte blaue Licht reichte nur wenig über das Wasser hinaus, sodass der Rest der Höhle im Dunklen lag. Der Wranna merkte, wie ihn Entsetzen packte. Er konnte kein Glied rühren und betete nur, dass niemand ihn bemerkte. Die Königin von Sturmspitze – denn wer anders konnte essein? – war so furchtbar wie eine Alptraumerscheinung von Ihr-die-darauf-wartet-alles-wieder-zu-sich-zu-nehmen .
    Likimeya nickte. Sie hielt sich so steif, als strengte selbst das Sprechen sie allzu sehr an. »So, Älteste. Ihr habt einen Weg zum Teich der Drei Tiefen gefunden. Doch das bedeutet noch nicht, dass Ihr ihn auch gebrauchen könnt.«
    Die maskierte Gestalt regte sich nicht, aber Tiamak spürte, dass etwas wie Triumph von ihr ausging. »Ich brachte Amerasu zum Schweigen – ich vernichtete sie, bevor mein Jäger sie tötete. Willst du dich mit ihr vergleichen, Kind?«
    »Allein, nein. Aber es sind andere bei mir.«
    »Andere Kinder.« Eine Hand im bleichen Handschuh hob sich, wogte im wirbelnden Dunst.
    Tiamak erkannte undeutlich, dass sich in seinem Augenwinkel etwas bewegte, aber er konnte den Blick nicht von der schimmernden Silbermaske lösen.
    »Camaris!«, rief Josua. »Er geht fort.«
    »Folgt ihm«, sagte Jiriki. »Ihr auch, Tiamak.«
    »Aber was ist mit Euch?« Die Stimme des Prinzen brach. »Und wie sollen wir den Weg finden?«
    »Er geht, wohin es ihn zieht.« Jiriki trat näher zu seiner Mutter, die bereits im lautlosen

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