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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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die Zeit auf eine Weise, die Tiamak nicht mehr nachvollziehen konnte. Manchmal schienen zwischen zwei Schritten lange Minuten zu liegen, dann wieder fand er sich nach nur einem Herzschlag in einem ganz anderen Teil der zerstörten unterirdischen Burg, noch immer im Laufschritt und ohne Erinnerung an den Weg, der ihn dorthin geführt hatte.
    Du-der-stets-auf-Sand-tritt, erhalte mir meinen Verstand, bis ich getan habe, was mir möglich ist, betete er. Auch der Prinz an seiner Seite schien mit etwas oder jemandem stumme Zwiesprache zu halten.
    Eine Zeitlang waren die Sithi so weit voraus, dass man von ihren Lichtern kaum mehr als ein Glühen weiter vorn im Tunnel sah. Tiamaks Kugel wackelte in seiner Hand derart hin und her, dass sie nur ein unsicheres Licht spendete. Er und Josua stolperten durch Trümmer, die sie kaum wahrnahmen, und zogen sich dabei alle möglichen Schnitt- und Schürfwunden zu, bis sie die Unsterblichen wieder eingeholt hatten.
    Die Sithi warteten vor einem hohen Torbogen. Aus dem dahinterliegenden Raum strömte eine unklare Helligkeit, vor der sich ihre Gestalten dunkel abhoben. Als Tiamak keuchend herangehinkt kam,fragte er sich, ob sie vielleicht doch schon das Licht der Oberwelt erreicht hätten. In großen Zügen sog er die Luft ein und betrachtete dabei die drachenähnliche Schlange, die aus dem Torbogen herausgemeißelt war. Ihr Schwanz führte auf der einen Seite nach unten und ging auf dem staubigen Boden unter dem Tor weiter bis auf die andere Seite, wo er sich wieder nach oben wand, bis er den Türsturz erklommen hatte. Dort endete seine Spitze im Maul des Tiers. Auf den Tausenden winziger Schuppen waren noch einzelne Farbspuren zu erkennen.
    Das rauchige Licht hinter den Sithi ließ sie verzerrt erscheinen, unnatürlich dünn und ohne feste Konturen. Der vorderste, Jiriki, drehte sich nach den schnaufenden Sterblichen um. In seinem Gesicht stand Mitleid, das aber mit noch heftigeren Gefühlen kämpfte. »Hinter diesem Tor liegt der Teich der Drei Tiefen«, begann er. »Wenn ich Euch sage, dass er einer der Meisterzeugen ist, habt Ihr vielleicht eine Vorstellung, welche Kräfte hier wirken. Von allen Orten der Macht ist er einer der mächtigsten. Hierher kamen die großen Lindwürmer von Osten Ard, um sein Wasser zu trinken und ihre wortlose Weisheit miteinander zu teilen, lange bevor mein Volk zum ersten Mal den Fuß in dieses Land setzte.«
    »Warum warten wir hier?«, fragte Josua. »Ist Camaris …?«
    »Vielleicht. Vielleicht war er aber auch schon hier und ist weitergegangen. Wie gesagt, es ist ein Ort der Macht und eine der Quellen jener Veränderungen, die wir um uns herum gespürt haben. Es ist gut möglich, dass Camaris von dem Teich angezogen worden ist.« Er hob warnend die Hand. Zum ersten Mal fiel Tiamak die Erschöpfung in seinen Zügen auf. »Bitte tut jetzt nichts, ohne uns vorher zu fragen. Berührt nichts außer dem Boden, über den wir gehen. Wenn Euch etwas anspricht, gebt keine Antwort.«
    Tiamak überlief es kalt. Er nickte zustimmend. Es gab tausend Fragen, die er gern gestellt hätte, aber die angespannte Haltung der Sithi war Grund genug zum Schweigen.
    »Geht voraus«, sagte Josua.
    Die Sithi, die selbst ein wenig zu zögern schienen, traten durch den Torbogen in eine weite Höhle, die ein unbestimmtes Licht erhellte. Dort, wo Tiamak durch die merkwürdig dunstige Luft dieWände sehen konnte, wirkten sie fast neu; sie waren unversehrt und durch große, mit Steinarbeiten geschmückte Pfeiler gegliedert, die zu der unsichtbaren Decke aufragten. Der Teich, eine kreisrunde Fläche glitzernden Wassers, lag in der Mitte der Halle. Eine Wendeltreppe, deren unterster Absatz auf die gegenüberliegende Seite des Teichs führte, stieg wuchtig und doch anmutig in die Höhe und verschwand weiter oben im Nebel.
    Etwas in diesem Raum … lebte. Tiamak konnte die Empfindung nicht anders beschreiben. Ob es der Teich selbst war, in dessen Tiefen ein blaues und grünes Leuchten schillerte, wusste er nicht, aber es gab weit mehr hier unten als nur Wasser und Stein. Die Luft war zum Zerreißen gespannt wie kurz vor einem Gewitter, und er merkte, dass er beim Weitergehen den Atem anhielt. Die Sithi bewegten sich so vorsichtig wie Jäger, die einem verwundeten Keiler folgen. Sie verteilten sich am Rand des Teichs und schienen sich dabei mit jedem Schritt unverhältnismäßig weit von Tiamak zu entfernen. Das rauchige Licht schimmerte.
    »Camaris!«, rief Josua plötzlich. Tiamak

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