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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schüssel.
    Aber hier war ich ja schon!, schoss es ihm durch den Kopf. Es sei denn, dass irgendein Verrückter überall Essen in die Tunnel stellt … aber wenn er das tut, dann möge Gott ihn segnen, reichlich segnen.
    Simon sprach ein Dankgebet, als er das Brot, das getrocknete Fleisch und das kleine Käsestück vom Teller nahm. Er setzte sich hin und aß von allem so viel, dass er sich so glücklich und satt fühlte wie schon lange nicht mehr. Er trank die halbe Wasserschüssel aus, überlegte kurz und leerte auch noch den Rest. Schade, dass er keinen Schlauch hatte, aber wenn er das Wasser schon mitnehmen musste, konnte er es genauso gut inwendig tun.
    Die Katze war wieder neben ihm, stupsend und schnurrend. Simon brach ein großes Stück von dem Dörrfleisch ab, um es mit seiner Führerin zu teilen. Die Katze nahm es so schnell, dass ihre scharfen Zähne ihm die Finger zerkratzten. Den Rest steckte er in die Tasche seines Hemdes. Dann stand er auf.
    Vielleicht will sie mich jetzt nicht mehr führen, dachte er. Vielleicht war es das, was sie die ganze Zeit gewollt hat.
    Aber die Katze, als sei ein Ritual erfolgreich durchgeführt, schob sich noch ein paarmal zwischen seinen Knöcheln hin und her und setzte sich dann wieder in Bewegung. Simon beugte sich zu ihr hinunter und fühlte, wie erst der Kopf, dann der Rücken und schließlich der Schwanz durch seine Finger glitten. Er lächelte ein unsichtbares Lächeln und folgte.
     
    Zuerst war es so schwach, dass es kaum auffiel, aber nach und nach merkte Simon, dass die Wände ringsum sichtbar zu werden begannen. Das Licht war so trübe, dass er noch Hunderte von Schritten glaubte, es seien nur seine Augen, die ihm einen Streich spielten; aber schließlich begriff er, dass er die rauhen Flächen, die seine Hände berührten, tatsächlich sah. Auch die Katze war zu einem wirklichen Tier geworden und nicht mehr bloße Einbildung, angedeutete Bewegung am Tunnelboden vor seinen Füßen.
    Er folgte der Schattenkatze durch die verschlungenen Gänge. Sie waren weniger fein ausgehauen als diejenigen, die sich durch die Ruinen von Asu’a zogen, und Simons Überzeugung wuchs, dass er sich wieder in der Burg der Menschen befand. Als er um die nächste Ecke bog, wurde aus dem dünnen Licht der Unterwelt eine Fackel, die am anderen Ende eines langen Ganges in ihrer Wandhalterung brannte.
    Licht! Rückkehr zum Licht! Er vergaß seine schmerzenden Glieder,sank in die Knie und presste die Stirn auf den Steinboden. Zitternd verharrte er so. Licht! Er war wieder in der Welt der Lebenden.
    Danke, Maegwin. Danke, Guthwulf. Seid gesegnet.
    Die Katze war ein grauer Umriss vor grauem Stein. Wieder stieg etwas in seinem Gedächtnis auf.
    Habe ich diese Katze nicht schon früher gesehen? Oder irre ich mich? Der Hochhorst war voller Katzen.
    Plötzlich zog die Luft sich zusammen. Die Wände schauderten und wölbten sich nach innen, als wollten sie ihn erdrücken. Ein Bild ging durch seinen Kopf, ein riesiger Baum, bebend im Sturm, von dem sich Äste lösten und davonflogen. Simon hatte das Gefühl, sein Innerstes würde zuäußerst gekehrt. Selbst als die Erscheinung vorbei und alles wieder wie zuvor war, blieb er noch lange keuchend auf den Knien.
    Seine vierfüßige Führerin war stehen geblieben und blickte sich jetzt um, als wollte sie feststellen, ob er ihr noch folgte. Dann trottete sie weiter, als sei es unter der Würde einer Katze, das merkwürdige Verrutschen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Simon kam mühsam auf die Füße.
    In einem Bogengang blieb das Tier stehen. Simon bemerkte eine schmale Treppe, die nach oben ins Dunkel führte. Die Katze stupste gegen sein Schienbein, ging aber nicht weiter.
    »Dort hinauf?«, flüsterte er und steckte den Kopf in den Treppenschacht. Hoch oben hinter den gewundenen Stufen glomm schwach eine neue Lichtquelle.
    Er sah einen Augenblick die Katze an. Sie starrte mit großen, gelben Augen zurück.
    »Also gut.« Er fasste nach Hellnagel, überzeugte sich, dass der Griff sich nicht in den Lumpen am Gürtel verfangen hatte, und trat auf die Stufen. Gleich darauf drehte er sich um und schaute nach hinten. Die Katze saß immer noch im Tunnel und beobachtete ihn. »Kommst du denn nicht mit?«
    Die graue Katze stand auf und trollte sich langsam den Gang hinunter. Selbst wenn sie die Gabe der Rede besessen hätte, hätte sie nicht deutlicher zum Ausdruck bringen können, dass er von nun an auf sich selbst gestellt war.
    Simon lächelte

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