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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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drang in sein Gesichtsfeld, und der Norne taumelte zur Seite. Aus seinem zerspellten Helm quoll Blut. Der Ankömmling riss in einer Schneewolke sein Pferd herum und ritt den wankenden Feind nieder.
    »Ihr lebt!«, keuchte Sludig und wischte die triefende Axt am Mantel ab.
    Isgrimnur holte Luft und schrie gegen das immer lautere Donnergrollen an. »So ein verfluchtes Durcheinander! Wo steckt Freosel?«
    Sludig deutete auf einen Haufen kämpfender Gestalten in etwahundert Ellen Entfernung. »Kommt mit. Und setzt Euren verdammten Helm auf!«
     
    »Sie kommen von den Mauern herunter!«, brüllte jemand.
    Isgrimnur sah, wie auf der anderen Seite der schrägen Vormauer des Hochhorsts Strickleitern entrollt wurden. Der ständig dunkler werdende Himmel und die ab und zu aufzuckenden, blendenden Lichtblitze machten es beinahe unmöglich zu erkennen, was genau vor sich ging, aber er hatte den Eindruck, dass es sich bei den Herunterkletternden um Menschen handelte.
    »Gottes Fluch über ihre Söldnerseelen!«, knurrte der Herzog. »Jetzt werden wir in die Zange genommen. Sie treiben uns gegen die Mauern, und bald werden wir ihnen auch an Zahl nicht mehr überlegen sein.« Er schaute auf seine kleine, bedrängte Schar. Überall auf dem Schlachtfeld waren kleinere Kampfgruppen zu sehen – Seriddans Nabbanai-Legionen und Hotvigs Reiter –, die entschlossen versuchten, sich zu seinem Wappenrockbanner durchzuschlagen. Es wehte jetzt vom Stumpf einer Sturmleiter, die man in die zerstampfte Erde gerammt hatte. Die Frage war nur, ob es Hotvig und den anderen gelingen würde, sich zu ihm vorzukämpfen, bevor seine paar Männer zwischen Nornen und Söldnern zerrieben sein würden.
    Vielleicht sollten wir uns an den Fuß der Burgmauer zurückziehen, dachte er, vielleicht sogar versuchen, vor dieses neue Tor zu kommen. Etwas anderes blieb ihnen auch kaum übrig, sie würden auf jeden Fall zurückgedrängt werden, also war es besser, wenn sie sich ihren Kampfplatz selbst wählten. Dem Herzog war aufgefallen, dass oben auf dem Tor keine feindlichen Soldaten standen; vielleicht war es nicht dick genug. Wenn das stimmte, konnten er und seine kleine Schar es als Rückendeckung nutzen, ohne befürchten zu müssen, dass man von oben auf sie schoss. Mit freiem Rücken aber konnten sie sogar die furchtbaren Nornen aufhalten, bis sich die übrigen Soldaten zu ihnen durchgeschlagen hätten … jedenfalls war das seine Hoffnung.
    Und wenn wir uns dort ein wenig Raum schaffen, können wir vielleicht sogar das verfluchte Tor aufzwingen oder die Leitern nehmen und Isorn folgen.Warum sollte Elias nicht zur Abwechslung einmal ein paar sterbliche Füchse in seinem Hühnerhof finden?
    Er drehte sich zu der Horde bleicher, kohlenäugiger Wesen mit den Hexenholzschwertern um. Wieder spaltete ein Blitz den Himmel und erstickte das blutrote Schwelen des Eroberersterns mit seinem Licht. Isgrimnur hörte wie aus weiter Ferne eine Glocke läuten. Der Schall fuhr ihm durch Mark und Bein. Vor seinen Augen schienen Flammen zu züngeln, bis sich von neuem die Dunkelheit des Gewitters herabsenkte.
    Gott helfe uns, dachte er geistesabwesend. Das ist die Mittagsglocke im Turm, und hier draußen ist es so schwarz wie die Nacht. Ädon, so dunkel…

    »Mutter der Barmherzigkeit!« Miriamels Blick vom Balkon war voller Entsetzen. Unter ihrer Warte im Wohnhaus des Königs war der Innere Zwinger ein Meer von Männern und Pferden, das vom Kampf zu seltsamen Wellen aufgepeitscht wurde. Der Wind wirbelte den Schnee auf und trieb ihn durch die Luft, sodass ein Schleier über der Welt lag. Am Himmel ballten sich die Gewitterwolken. Aber dahinter brannte unübersehbar der rote Stern, und sein langer Schweif tauchte alles in ein mattes, blutiges Licht. »Onkel Josua hat mit der Belagerung begonnen!«, rief Miriamel. Ihre Eile, ihn zu finden und zu warnen, war letztendlich also umsonst gewesen.
    Ihr Weg über die Stufen hatte sie schließlich zu einer versteckten Tür in den weiter unten gelegenen Lagerräumen unter dem königlichen Wohnhaus geführt. Miriamel, die immer so stolz darauf gewesen war, als Malachias alle Schlupfwinkel des Hochhorsts erforscht zu haben, war ganz erschüttert gewesen, als sie begriff, dass ein Zugang zum alten Asu’a während der ganzen Zeit, die sie hier gelebt hatte, unmittelbar vor ihrer Nase gelegen hatte. Aber das war nicht die einzige Überraschung gewesen.
    Die zweite war gekommen, als sie vorsichtig das Erdgeschoss des Wohnhauses betreten

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