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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zu Simon und Dinivan, den beiden, die solche Warnungen empfangen haben. Welcher Bote war gemeint?«
    »Und du glaubst, dass du es jetzt weißt?«
    Binabik setzte zu einer Antwort an, holte dann aber erst einmal tief Luft. »Lass mich dir darlegen, was mein Denken ist. Vielleicht findest du einen Fehler darin – oder Ihr findet ihn, Cadrach. Meine Hoffnung ist nur, dass ich mich irre.« Er verschränkte die Finger der kleinen Hände und furchte die Stirn. »Das Unterirdischenvolk sagt, alle Großen Schwerter wurden mit Hilfe von Worten der Erschaffung geschmiedet – Worten, von denen die Unterirdischen erklären, man brauche sie, um die Regeln der Welt zurücktreten zu lassen.«
    »Ich habe das nicht verstanden.«
    »Ich will eine Erläuterung versuchen«, antwortete Binabik traurig. »Wahr ist freilich, dass wir wenig Zeit zum Gespräch besitzen.«
    »Wenn ich wieder zu Atem gekommen bin, kannst du unterwegs weitererzählen.«
    Der Troll nickte. »Dann also meine Erklärung über die Regeln der Welt. Eine davon ist, dass Dinge nach unten fallen wollen.« Er steckte den Stopfen in den Wasserschlauch und ließ den Schlauch dann fallen, um seine Worte zu verdeutlichen. »Wenn nun eine andere Art von Fallen erwünscht ist – zum Beispiel, dass dieses Ding nach oben stürzt –, dann ist das etwas, für das man die Kunst benutzt. Um etwas zu erreichen, das gegen die Regeln der Welt verstößt.«
    Miriamel nickte. Neben ihr hatte Cadrach den Kopf gehoben, als horche er, starrte aber immer noch ausdruckslos auf die gegenüberliegende Wand.
    »Will man aber eine Regel für lange Zeit brechen, so muss die Kunst, die man dabei anwendet, von großer Mächtigkeit sein; ähnlich, wie es leichter ist, etwas Schweres kurz aufzuheben und dannfallen zu lassen, als es stundenlang in der Luft zu halten. Für solche Aufgaben benutzten die Unterirdischen und andere, die die Kunst ausübten …«
    »… die Worte der Erschaffung«, beendete Miriamel seinen Satz. »Und das taten sie auch beim Schmieden der Schwerter.«
    Binabik nickte. »Sie taten es, weil alle großen Schwerter aus Stoffen geschmiedet waren, die in Osten Ard keinen Platz hatten, Dingen, die sich der Kunst, die man braucht, um eine Zauberwaffe zu schaffen, widersetzten. Diesen Widerstand musste man überwinden, aber es durfte nicht nur vorübergehend sein. Darum wurden die allermächtigsten Worte der Erschaffung gesprochen.« Er sprach ganz langsam. »Deshalb sind diese Klingen, so meine ich –, wie der zurückgezogene Arm einer der riesigen Steinschleudern, mit denen euer Volk befestigte Städte angreift – so beschaffen, dass eine einzige Berührung genügt, einen gewaltigen Stein fliegen zu lassen wie einen winzig kleinen Vogel. Und wenn nun in jedes Einzelne der drei Schwerter so ungeheure Macht gebannt ist – wer weiß dann, was die Macht von allen dreien zusammen ausrichten kann?«
    »Aber das ist doch gut«, versetzte Miriamel verwirrt. »Ist es denn nicht gerade das, was wir brauchen – die Macht, mit der wir den Sturmkönig besiegen können?« Sie sah in Binabiks betrübtes Gesicht, und ihr Herz sank. »Oder gibt es einen Grund, nicht davon Gebrauch zu machen?«
    Cadrach an der Wand regte sich und schaute endlich den Troll an. Ein matter Glanz war in seine Augen getreten. »Aber wer wird Gebrauch davon machen?«, fragte er. »Darum geht es doch, oder nicht?«
    Binabik nickte traurig. »So ist allerdings meine Befürchtung.« Er sah Miriamel an. »Warum muss Dorn hierhergebracht werden? Warum suchen Josua und die anderen nach Hellnagel?«
    »Um sie gegen den Sturmkönig zu führen«, erwiderte Miriamel.
    Sie wusste immer noch nicht, worauf die Fragen des Trolls hinauswollten, aber Cadrach hatte offenbar verstanden. Ein schmales, grimmiges Lächeln wie von widerwilliger Bewunderung spielte um seine Lippen. Miriamel fragte sich, wem diese Bewunderung wohl galt.
    »Aber warum?«, fragte der Troll noch einmal. »Wer hat uns gesagt,dass wir sie gegen unseren Feind einsetzen wollten? Das ist keine Frage, um dich zu betrügen, Miriamel – es ist das, worüber ich selbst gegrübelt habe, bis ich mich fühlte, als sei mein Kopf angefüllt mit scharfen Steinen.«
    »Weil …« Einen Augenblick fiel es ihr selbst nicht ein.
    »Doch – ja – wegen der Verse. Der Verse, in denen stand, wie man den Sturmkönig wieder verjagen kann.«
     
    »Wenn Rauhreif Claves’ Glocke deckt«,
     
    begann Binabik aufzusagen. Seine Stimme hallte seltsam im Treppenhaus wider, und

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