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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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etwas wie Schmerz verzerrte sein Gesicht.
     
    »Und Schatten auf der Straße geht,
    das Brunnenwasser schwarz sich fleckt:
    drei Schwerter müssen dann zurück.
     
    Wenn Bukken kriechen aus der Gruft,
    der Hune steigt vom Berg herab,
    wenn Albtraum raubt dem Schlaf die Luft:
    drei Schwerter müssen dann zurück.
     
    Der Zeiten Nebel zu verwehn,
    zu wenden harten Schicksals Schritt –
    soll Frühes Spätem widerstehn:
    drei Schwerter müssen dann zurück …«
     
    »Das habe ich nun schon hundertmal gehört!«, sagte Miriamel bissig. Nur eine dünne Schicht Zorn verdeckte die Angst, mit der die sonderbare Miene des kleinen Mannes sie erfüllte.
    »Wovon redest du eigentlich?«
    Binabik hob die Hände. »Hör auf das, was es sagt, Miriamel, hör gut zu. Alles, was zu Anfang steht, ist Wahrheit – Bukken, Riesen, die große Glocke in Nabban. Aber am Ende spricht es nur davon, den Schritt des Schicksals zu wenden, den Nebel der Zeiten zu verwehen … und davon, dass Frühes Spätem widerstehen soll.«
    »Und?«
    »Und wer sagt dann, dass es zu uns spricht?«, zischte Binabik.
    Miriamel war über seine Erregung so erstaunt, dass es einen Augenblick dauerte, bis seine Worte sie wirklich erreichten. »Denkst du etwa …?«
    »Dass es genauso gut von Dingen handeln kann, die dem Sturmkönig helfen! Denn was sind wir Sterblichen für ihn, wenn nicht das Späte gegenüber dem Frühen? Wer wendet das Schicksal? Und wessen Schicksal ist es?«
    »Aber … aber …«
    Binabik hatte sich in Wut geredet, als hätten die Worte lange in ihm gegärt und jetzt den Korken gesprengt, um frei zu schäumen. »Woher kam denn der Gedanke, nach diesen Reimen zu suchen? Aus den Träumen von Simon und Jarnauga und anderen! Die Straße der Träume war schon seit langem gefährlich verändert, das haben Jiriki und die anderen Sithi uns gesagt, aber wir hatten so viel Angst, dass wir an diese Träume glaubten, weil wir verzweifelt nach einem Weg suchten, die Rückkehr des Sturmkönigs zu verhindern!« Er hielt keuchend inne. »Es tut mir so leid, aber ich bin voller Zornigkeit über meine eigene Verblendung! Wir nahmen einen Zweig, der ganz dünn war, und hängten eine Brücke daran, ohne genau nachzudenken. Nun schweben wir über der Mitte des Abgrunds.« Er schlug sich mit den flachen Händen auf die Schenkel. »Schriftrollenträger schimpfen wir uns. Kikkasut!«
    »Aber dann …« Miriamel strengte sich an, den tieferen Sinn seiner Erklärungen zu erfassen. Ein verzweifelter Puls begann in ihr zu pochen. »Dann waren die Träume über Nisses’ Buch … sie waren die falschen Boten? Die, die uns zu den Versen führten?«
    »Das ist es, was ich jetzt glaube.«
    »Aber was hätte das für einen Zweck? Warum sollte uns der Sturmkönig einen so merkwürdigen Streich spielen? Weshalb sollte er uns glauben machen, wir könnten ihn besiegen, wenn wir dazu gar nicht imstande sind?«
    Binabik zuckte die Achseln. »Vielleicht braucht er die Schwerter und kann sie selbst nicht holen. Pryrates hat zu Cadrach gesagt, er wisse, wo Hellnagel sei, und wolle nicht, dass man es anrühre. Vielleichthatte der rote Priester gar keine eigenen Pläne damit und handelte nur auf Geheiß des Sturmkönigs. Mein Gedanke ist, dass der Dunkle aus dem Norden der großen Macht bedarf, die in diesen Klingen ruht.« Seine Stimme versagte. »Es ist … es ist meine tiefe Furcht, dass das alles ein heimtückisches Spiel war, wie das Shent der Sithi … ersonnen, damit wir die beiden anderen Schwerter hierherbrachten.«
    Betäubt lehnte Miriamel sich an die Wand. »Dann haben Josua … Simon … wir alle …«
    »Dem Feind die ganze Zeit in die Hände gespielt«, mischte sich plötzlich Cadrach ein. Miriamel hätte erwartet, Genugtuung aus seinen Worten zu hören, aber sie täuschte sich. Sie klangen nur hohl. »Wir sind seine Diener gewesen. Der Feind hat bereits gesiegt.«
    »Haltet den Mund!«, fauchte sie ihn an. »Verdammt sollt Ihr sein. Hättet Ihr uns damals gesagt, was Ihr wusstet, hätten wir die Dinge wahrscheinlich früher durchschaut.« Mühsam raffte sie ihren Verstand zusammen. »Binabik – wenn du recht hast, was können wir noch tun?«
    Der Troll hob die Schultern. »Zu fliehen versuchen. Josua und die anderen finden. Sie warnen.«
    Miriamel stand auf. Noch vor wenigen Minuten war sie ausgeruht und bereit zum Weiterklettern gewesen. Jetzt hatte sie das Gefühl, ein Ochsenjoch sei auf ihre Schultern gelegt worden, eine schwere, schmerzhafte Last, die sich

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