Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
des Getöses auf dem Hof verhinderte, dass sie etwas hörte. Ein eigentümliches, schmerzhaftes, prickelndes Gefühl überkam sie, als wäre die Luft voller Blitze – aber das stimmte ja auch, erinnerte sie sich selbst.
    »Miriamel …« Cadrach klang ängstlich.
    Sie achtete nicht auf ihn und versuchte die Klinke herunterzudrücken. »Zugeschlossen«, sagte sie leise und bewegte die Schultern, um das schleichende Jucken loszuwerden, das immer stärker wurde. »Und viel zu schwer zum Einschlagen.«
    »Miriamel!« Cadrach zupfte sie am Ärmel. »Hier baut sich eine Sperre auf. Wir werden in der Falle sitzen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Fühlt Ihr denn nicht, wie etwas gegen uns drückt? Habt Ihr keine Gänsehaut bekommen? Jemand baut eine Barriere auf und zieht sie um den Turm zusammen. Es ist Pryrates – ich spüre seine rücksichtslose Macht.«
    Miriamel sah den Mönch misstrauisch an, fand aber in seinem Gesicht lediglich ungeheuchelte Bestürzung.
    »Binabik?«, fragte sie.
    »Ich meine, er spricht die Wahrheit.« Auch er begann zu zucken. »Wir werden auf höchst unbequeme Weise zerquetscht werden.«
    »Cadrach, Ihr habt die Tür der Unterirdischen geöffnet. Öffnet uns diese hier.«
    »Herrin, das ist ein gewöhnliches Schloss, kein Schutzzauber.«
    »Aber Ihr wart auch ein Dieb!«
    Cadrach schauderte. Auf seinem Kopf sträubten sich dünne Haarsträhnen, und auch Miriamel fühlte, wie an ihren Armen und auf dem Scheitel die Haare zu Berge standen. »Ich habe weder Sperrhaken noch Werkzeuge – es ist sinnlos. Vielleicht ist das nur gut. Jedenfalls wird es ein schneller Tod sein.«
    Binabik zischte wütend. »Keinen Tod will ich, ob mit Schnelligkeit oder Langsamkeit, sofern er sich vermeiden lässt.«
    Er warf der Tür einen kurzen Blick zu, warf seinen Reisesack hin und fing an, darin herumzusuchen.
    Miriamel sah hilflos zu. Das Gefühl des Erdrücktwerdens wurde stetig stärker. Sie betete darum, einen anderen Weg in den Turm zu finden, und eilte den Gang wieder hinauf. Aber schon nach einem Dutzend Schritte schien die Luft immer gröber und dicker zu werden und sich schwerer atmen zu lassen. In ihren Ohren summte es sonderbar, und ihre Haut brannte. Sie war nicht bereit, so schnell aufzugeben, und ging noch ein paar Schritte weiter, aber mit jedem Schritt wurde es schwerer, und ihr war, als wate sie durch immer zäheren Schlamm.
    »Kommt zurück!«, rief Cadrach. »Es bringt nichts!«
    Miriamel machte mühsam kehrt und schlich zur Tür zurück. »Ihr hattet recht, man kann nicht umkehren. Aber dieses Ding … diese Sperre … bewegt sich nur ganz langsam.«
    Der Mönch kratzte sich heftig am Arm. »Solche Dinge brauchen eine gewisse Zeit, um sich zu verdichten, und der Priester hat für ihre Erschaffung viel Kraft aufgewendet. Offenbar will er, dass nichts in den Turm hinein- oder aus ihm herauskommt.«
    Binabik hatte einen kleinen Lederbeutel gefunden, in dem er herumwühlte.
    »Woher wisst Ihr, dass es Pryrates ist?«, fragte Miriamel. »Vielleicht ist es … der andere.«
    Cadrach schüttelte traurig den Kopf, aber es war ein harter Kern von Wut unter seiner Trauer. »Ich kenne die Handschrift des roten Priesters. Götter! Nie werde ich das Gefühl seiner schmutzigen Gegenwart in meinem Kopf und meinen Gedanken vergessen …«
    »Miriamel, Cadrach«, unterbrach der Troll. »Hebt mich hoch.«
    Sie bückten sich und hoben ihn mit großer Anstrengung auf. Dann trugen sie ihn, seinen Anweisungen folgend, an die Seite der Tür. Die Luft um sie herum schien immer enger zu werden; es kostete unendliche Kraft, den kleinen Troll in der Luft zu halten. Binabik kletterte an ihnen hoch, bis er mit den Füßen auf ihren bebenden Schultern stand.
    »Ich kann … kaum … atmen«, keuchte Miriamel. Es brummte ihr in den Ohren. Cadrachs Mund stand offen. Seine Brust hob sich mühsam.
    »Kein Sprechen.« Binabik langte nach oben und schüttete eine Handvoll Pulver in die obere Türangel.
    In Miriamels Ohren hämmerte es jetzt. Sie wurde in einer riesigen Faust zerquetscht. Vor ihr im Dunkeln tanzte ein Funkenreigen.
    »Gesichter weg«, schnaufte Binabik, nahm etwas in die Hand und schlug damit krachend gegen die Angel.
    Ein greller Blitz blendete Miriamel. Aus der würgenden Faust wurde eine gewaltige, offene Hand, die sie von der Tür fortschlug. Trotz der ungeheuren Kraft der Explosion wurde Miriamel nur ein kleines Stück nach hinten geschleudert und blieb auf den Füßen. Die unsichtbare, aber immer näher

Weitere Kostenlose Bücher