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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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so viel erlebt und erlitten wie noch kein König vor euch. Gott segne euch beide. Ich werde euch nicht aus den Augen verlieren und in meine Gebete einschließen.«
    Die Zeltklappe hob sich. Sterne flimmerten über Josuas Schulter. Dann war alles wieder finster.
    Simon lehnte sich zurück. Ihm schwirrte der Kopf. Josua lebte, und Camaris war sein Vater! Und hier lag er, Simon, neben einer Prinzessin! Die Welt war voller Wunder.
    »Nun?«, fragte Miriamel plötzlich.
    »Nun – was?« Simon hielt den Atem an. Ihr Ton ließ ihn besorgt aufhorchen.
    »Du hast doch gehört, was mein Onkel gesagt hat. Wirst du mich heiraten? Und was ist das für eine Geschichte mit dem Blut von Eahlstan? Hast du sie mir die ganze Zeit verschwiegen, um es mir heimzuzahlen, dass ich mich damals als Dienstmagd verkleidet habe?«
    Simon atmete aus. »Ich weiß es selbst erst seit gestern.«
    Langes Schweigen. Dann sagte sie: »Du hast meine andere Frage nicht beantwortet.« Sie nahm sein Gesicht, näherte es dem ihren und strich mit dem Finger über den empfindlichen Wulst seiner Narbe. »Du hast gesagt, du würdest mich nie verlassen, Simon. Wirst du dann tun, was Josua gesagt hat?«
    Als Antwort lachte er hemmungslos und küsste sie. Ihre Arme schlangen sich um seinen Nacken.
     
    Sie hatten sich auf dem grasigen Hang unter dem Nerulagh-Tor aufgestellt. Das große Portal lag in Trümmern. Vögel flatterten über die Steine und stritten sich mit schrillen Stimmen. Hinter dem Schutt glitzerte auf den nassen Dächern des Hochhorsts die sinkende Sonne. Im nördlichsten Winkel des dämmernden Himmels glomm als matter, roter Fleck der Erobererstern.
    Simon und Miriamel, umgeben von Freunden und Verbündeten, standen Arm in Arm. Die Sithi wollten Abschied nehmen.
    »Jiriki.« Simon löste sich sanft von Miriamel und trat auf denSitha zu. »Was ich neulich in kindischem Ärger sagte, meinte ich trotzdem ehrlich. Euren Pfeil gibt es nicht mehr; er verbrannte mit dem Sturmkönig. Ebenso wenig gibt es noch eine Schuld zwischen uns. Ihr habt mir oft genug das Leben gerettet.«
    Der Sitha lächelte. »Dann müssen wir von vorn anfangen.«
    »Ich wünschte, Ihr könntet hierbleiben«, seufzte Simon.
    »Meine Mutter und die anderen werden in ihrer Heimat schneller genesen.« Jiriki blickte auf die über den Hang verstreuten Banner und die bunten Kleider seines Volkes. »Schaut gut hin. Ich hoffe, Ihr werdet es nie vergessen. Vielleicht werden sich die Kinder der Morgendämmerung nicht wieder so zusammenfinden.«
    Miriamel sah auf die wartenden Sithi und ihre kühnen, ungeduldigen Pferde. »Es ist ein wunderbares Bild«, sagte sie, »ein Bild voller Schönheit.«
    Jiriki lächelte sie an und wandte sich dann wieder an Simon.
    »Auch wenn es Zeit für mein Volk ist, nach Jao é-Tinukai’i zurückzukehren, werden wir uns bald wiedersehen. Erinnert Ihr Euch, dass ich Euch einmal sagte, ich brauchte keine Zauberkunst, um zu prophezeien, dass wir uns häufiger begegnen würden? Ich wiederhole es jetzt, Seoman Schneelocke. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende.«
    »Trotzdem werde ich Euch vermissen – wir beide werden Euch vermissen.«
    »Vielleicht wird das Verhältnis zwischen meinem Volk und Eurem, Seoman, sich in Zukunft besser entwickeln. Doch das wird dauern. Wir sind ein altes Volk, das sich nur langsam ändert, und die meisten Sterblichen fürchten uns noch – und wer wollte es ihnen verdenken, nach dem, was die Hikeda’ya getan haben? Aber dennoch hoffe ich, dass etwas für immer anders geworden ist. Unsere Zeit, die Zeit der Kinder der Morgendämmerung, ist vorüber, aber vielleicht werden wir nun doch nicht einfach von der Erde verschwinden. Vielleicht wird mehr von uns übrigbleiben als nur Ruinen und ein paar alte Märchen.« Er nahm Simons Hand und zog ihn an sich, bis sie einander umarmten.
    Leichtfüßig und lächelnd folgte Aditu ihrem Bruder. »Natürlich müsst Ihr uns besuchen, Seoman, und auch wir werden wieder zu Euch kommen. Wir beide haben noch viele Shent-Partien zu spielen.Ich fürchte mich schon vor den neuen Kriegslisten, die Ihr bis dahin gelernt haben werdet.«
    Simon lachte. »Ich bin sicher, Ihr fürchtet mein Shent-Spiel so sehr wie tiefen Schnee und hohe Mauern – nämlich überhaupt nicht.«
    Sie küsste ihn, trat dann zu Miriamel und küsste sie ebenfalls. »Seid freundlich und geduldig miteinander«, sagte sie mit glänzenden Augen. »Ihr werdet lange zusammen sein. Erinnert Euch immer an diese Augenblicke, aber vergesst

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