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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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einer alten Dienerin schon wollen?
    Miriamel drehte sich um und sagte etwas zu dem Mann, der auf dem Stuhl neben ihr saß. Sein Gesicht lag im Schatten. Rachel sah ihn erstaunt auffahren. Sofort erhob er sich.
    Barmherzige Rhiap, dachte Rachel, ist der groß! Es muss dieser Schneelocke sein, von dem sie alle reden – wie war doch gleich sein anderer Name?
    »Seoman …«, sagte sie laut und sah in sein Gesicht. Der Bart, die Narbe, die weiße Strähne im Haar – einen Augenblick lang war er nur irgendein junger Mann. Dann erkannte sie ihn.
    »Rachel!« Mit ein paar langen Schritten war er bei ihr.
    Er sah mit zitternden Lippen auf sie hinunter, hatte sich aber gleich wieder in der Gewalt und grinste breit. »Rachel«, sagte er wieder.
    »Simon?«, murmelte sie. Das Wort war plötzlich sinnlos geworden. »Du lebst?«
    Er bückte sich, packte und drückte sie. Er hob sie so hoch in die Luft, dass ihre Füße über der Erde baumelten. »Ja!«, lachte er. »Ich lebe! Gott weiß wie, aber ich habe überlebt. Oh, Rachel, du kannst dir gar nicht vorstellen, was alles geschehen ist, nie und nimmer!«
    Er setzte sie wieder ab und nahm ihre beiden Hände. Sie wollte siewegziehen, weil ihr die Tränen über die Wangen strömten. War das überhaupt möglich? Oder war sie am Ende doch verrückt geworden? Aber da stand er, rote Haare, albernes Grinsen, in voller Lebensgröße – in Überlebensgröße!
    »Bist du … Schneelocke?«
    »Ja, das bin ich wohl.« Er lachte wieder. »Das bin ich.« Er ließ sie einen Augenblick los und legte dann den Arm um sie. »Ich muss dir alles erzählen – aber wir haben jetzt Zeit, so viel Zeit.« Er hob den Kopf und schrie: »Schnell! Das ist Rachel! Bringt ihr Wein, Essen, einen Stuhl!«
    »Aber wie ist das gekommen?« Sie reckte den Hals, um zu ihm aufzusehen – unglaublich lang, unglaublich lebendig, aber trotzdem Simon. »Wie ist das möglich?«
    »Setz dich«, forderte er sie auf. »Ich werde dir alles erzählen, und dann können wir das große Werk beginnen.«
    Rachel schüttelte benommen den Kopf. »Was für ein großes Werk?«
    »Du warst die Oberste der Kammerfrauen … aber du warst immer viel mehr. Du warst wie eine Mutter zu mir, aber ich war zu jung und zu dumm, um das zu begreifen. Jetzt sollst du geehrt werden, wie du es verdienst, Rachel. Und wenn du willst, sollst du die Oberste des ganzen Hochhorsts werden. Der Himmel weiß, dass wir dich brauchen. Heerscharen von Helfern sollen dir gehorchen, Bataillone von Bauleuten, Kompanien von Kammerfrauen, Gefechtstruppen von Gärtnern.« Er lachte, das laute Lachen eines Mannes. »Wir werden einen Krieg gegen die Zerstörung führen, die wir angerichtet haben, und die Burg wieder aufbauen. Wir werden unsere Heimat wieder schön machen.« Er drückte sie an sich und steuerte sie auf Miriamel und Jeremias zu, die lächelnd warteten. »Und du sollst Rachel der Drache sein, Heerführerin des Hochhorsts!«
    Tränen tropften ihr über die Wangen.
    »Mondkalb!«, sagte sie.

Nachspiel

    iamak stieß mit dem Fuß die Seerose beiseite. Dieser Teil des Burggrabens, im Schatten der Mauer, war still. Nur ein paar Insekten summten, und Tiamaks Füße plätscherten im Wasser.
    Er sah einem Wasserkäfer zu, als er hinter sich Schritte hörte.
    »Tiamak!« Vater Strangyeard ließ sich steif neben ihm nieder, achtete aber darauf, dass seine Füße in den Sandalen nicht das Wasser berührten. »Ich habe gehört, dass Ihr angekommen seid. Wie schön, Euch wiederzusehen.«
    Der Wranna drehte sich um und drückte dem Archivar die Hand. »Euch auch, lieber Freund«, antwortete er. »Es ist erstaunlich, wie viel sich hier verändert hat.«
    »Ja, in einem Jahr kann viel geschehen«, lachte Strangyeard. »Und alle haben hart gearbeitet. Aber was gibt es seit Eurer letzten Botschaft bei Euch Neues?«
    Tiamak lächelte. »Viel. Ich fand endlich meine Dorfgefährten wieder. Soweit sie noch leben, sind sie über andere Dörfer im ganzen Wran verstreut. Ich glaube aber, dass jetzt viele nach Haindorf zurückkehren werden, nachdem sich die Ghants ins Innere des Sumpfes zurückgezogen haben.« Sein Lächeln wurde schmaler. »Meine Schwester glaubt immer noch nicht einmal die Hälfte von dem, was ich erzähle.«
    »Könnt Ihr es ihr vorwerfen?«, fragte Strangyeard milde. »Ich kann das, was ich gesehen habe, selbst kaum glauben.«
    »Nein, ich werfe es ihr nicht vor.« Tiamak lächelte schon wieder. »Übrigens habe ich endlich ›Die unfelbarn Heylmittel der

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