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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ihren Kriegern Herzog Leobardis und seinen Sohn Benigaris halten. Und als Fengbald in seinem Falkenhelm den Berg hinabsprengte, sah ich, wie Benigaris das Schwert zog und es seinem Vater in den Hals stach. Er tötete ihn im Sattel, sodass Leobardis vornüber auf den Widerrist seines Rosses sank und auf das erbarmungswürdigste zu bluten anfing …
     
    Bei diesem letzten Satz zerrissen plötzliche Aufschreie des Entsetzens und laute Vorwürfe die Stille. Mehrere der Lehnsleute des Barons waren aufgesprungen und schüttelten wütend die Fäuste, als wollten sie sich auf Josua stürzen. Der Prinz, der noch immer das Pergament vor sich hielt, schaute sie nur an und sah dann auf Seriddan. Der Baron war sitzen geblieben, aber bis auf zwei rote Flecken hoch auf beiden Wangen war sein Gesicht bleich geworden.
    »Ruhe!«, brüllte er und sah seine Gefolgschaft so drohend an, dass sie auf ihre Bänke zurücksanken und nur noch grimmig vor sich hin murmelten. Mehrere Frauen mussten hinausgeführt werden. Sie taumelten, als hätte sie selbst der Stich getroffen, und ihre kunstvollen Hauben und Schleier sahen auf einmal so traurig aus wie die bunten Wimpel eines besiegten Heeres.
    »Das ist eine alte Geschichte«, meinte der Baron nach einer Weile. Seine Stimme klang gepresst, aber Isgrimnur hörte mehr als nur Zorn aus ihr heraus. Er merkt, wie die Schlinge sich zuzieht.
    Seriddan leerte seinen Pokal und ließ ihn dann krachend auf die Tischplatte niedersausen. Viele Gäste zuckten erschrocken zusammen. »Es ist eine alte Geschichte«, wiederholte er. »Oft erzählt, nie bewiesen. Warum sollte ich sie jetzt glauben?«
    »Weil Herr Deornoth dabei war«, antwortete Josua einfach.
    »Aber jetzt ist er nicht hier. Und ich weiß nicht, ob ich ihm glauben würde, wenn er es wäre.«
    »Deornoth log nicht. Er war ein wahrer Ritter.«
    Seriddan lachte rauh. »Dafür habe ich nur Euer Wort, Prinz. Für König und Vaterland tun Menschen seltsame Dinge.« Wieder wandte er sich an seinen Bruder. »Brindalles? Hast du heute Abend irgendetwas gehört, das dagegen spricht, den Prinzen und sein Gefolge in eines der Verliese unter Chasu Metessa zu werfen, um sie dort auf Benigaris’ Gnade warten zu lassen?«
    Der Bruder des Barons seufzte. Er legte die Hände so dicht aneinander, dass die Fingerspitzen sich berührten. »Diese Geschichte gefällt mir nicht, Seriddan. Sie hat einen unangenehmen Beigeschmack von Wahrheit, denn die Männer, die Leobardis zur Bestattung vorbereiteten, sprachen mit Staunen über die saubere, glatte Wunde. Aber dennoch genügt das Wort eines einzelnen Mannes, und sei er auch Prinz Josuas Ritter, nicht zur Verurteilung des Herrschers von Nabban.«
    An Verstand fehlt es in dieser Familie nicht, stellte der Herzog von Elvritshalla fest. Männer, die so nüchtern denken, werden uns zum Erfolg führen – oder aber scheitern lassen.
    »Es gibt noch andere, die Benigaris’ Schreckenstat gesehen haben«, sagte Josua. »Manche von ihnen leben noch, obwohl viele umkamen, als Naglimund erobert wurde.«
    »Da wären tausend Männer nicht genug«, fauchte Seriddan. »Hea! Sollte denn die Blüte des Adels von Nabban Euch – einem Erkynländer und Feind des Hochkönigs – gegen den rechtmäßigen Erben des Eisvogelhauses folgen, nur weil ein Toter etwas zu Papier bringen ließ?«
    Von den anderen Bewohnern Chasu Metessas ertönte beifälliges Gemurmel. Die Stimmung begann unfreundlich zu werden.
    »Nun gut«, nahm Josua wieder das Wort. »Ich verstehe Euch, Baron. Darum werde ich Euch jetzt einen Beweis geben, der Euch überzeugen muss, dass es mir ernst ist – und vielleicht Eure Bedenken zerstreut, dass Ihr einem Erkynländer folgen sollt.« Er winkte. An dem fast im Dunkel liegenden unteren Ende der Tafel erhob sich ein Mann mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze. Er warsehr groß. Einige der Bewaffneten zogen die Schwerter. Durch das Zischen der Klingen schien die Luft im Saal ganz plötzlich deutlich abzukühlen.
    Jetzt enttäusche uns nicht, betete Isgrimnur.
    »Ihr habt etwas gesagt, das nicht stimmte, Baron«, begann Josua ruhig.
    »Ihr heißt mich einen Lügner?«
    »Nein. Aber es sind seltsame Zeiten, und selbst ein gebildeter und kluger Mann wie Ihr kann nicht alles wissen. Darum hört meine Worte: Selbst wenn Benigaris kein Vatermörder wäre, hätte er nicht den ersten Anspruch auf das Herzogtum seines Vaters. Baron, Volk von Metessa – hier steht das wirkliche Haupt des Eisvogelhauses: Camaris Benidrivis.«
    Die

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