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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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eine Zwiebel bereit. Wenn die Steine heiß genug waren, wollte sie eine Suppe kochen.
    Skeptisch begutachtete sie das Dach ihrer Behausung und rollte dann ihre Schlafdecken an einer Stelle aus, die vom nächsten Loch weit genug entfernt war, um trocken zu bleiben, falls es wieder regnete. Nach kurzem Zögern legte sie Simons Decken daneben. Zwar ließ sie – sicherheitshalber – einen Zwischenraum frei, aber dennoch war der Abstand geringer, als er gewesen wäre, hätten sie es nicht mit einem so undichten Dach zu tun. Als alles fertig war, holte sie ihr Messer aus der Satteltasche und begann das Gemüse zu putzen.
    »Es weht jetzt ziemlich stark«, sagte Simon bei seiner Rückkehr. Sein Haar war zerzaust und zu merkwürdigen Büscheln gesträubt, aber er hatte rote Wangen und lächelte vergnügt. »Eine gute Nacht, um sie am Feuer zu verbringen.«
    »Ich bin froh, dass wir hier heruntergezogen sind«, erwiderte Miriamel. »Mir geht es heute Abend viel besser. Morgen kann ich sicher wieder reiten.«
    »Wenn Ihr bereit seid.« Als er an ihr vorüber zum Kamin ging, legte er einen Moment die Hand auf ihre Schulter und strich ihr dann sanft über die Haare. Miriamel sagte nichts, sondern fuhr fort, die Mohrrüben in eine Tonschale zu hacken.
     
    Es war keine genussvolle Mahlzeit, an die sie sich später gern erinnern würden, aber Miriamel fühlte sich schon allein deshalb besser, weil sie etwas Warmes im Magen hatte. Als sie die Schalen ausgespült und mit einem trockenen Zweig gescheuert hatte, packte sie sie ein und kroch zwischen ihre Decken. Simon stocherte noch ein wenig im Feuer herum und legte sich dann ebenfalls nieder. Eine Weile schwiegen sie und schauten in die Flammen.
    »In meinem Schlafzimmer in Meremund war auch ein Kamin«, sagte Miriamel schließlich leise. »Wenn ich nachts nicht schlafen konnte, habe ich immer zugesehen, wie die Flammen tanzten. Ich sah Bilder darin. Als ich ganz klein war, habe ich mir einmal eingebildet, ich sähe das Gesicht von Usires, und er lächelte mir zu.«
    »Mmmm«, sagte Simon, und dann: »Ihr hattet ein Schlafzimmer ganz für Euch allein?«
    »Ich war das einzige Kind eines Prinzen«, erwiderte Miriamel ein wenig knapp. »Daran ist nichts Ungewöhnliches.«
    Simon schnaubte. »Für mich schon. Ich schlief mit einem Dutzend anderer Küchenjungen zusammen. Einer von ihnen, der dicke Zebediah, hat geschnarcht wie ein Küfer, der mit der Handsäge Fassdauben sägt.«
    Miriamel kicherte. »Später, im letzten Zwölfmonat, als ich auf dem Hochhorst wohnte, schlief Leleth in meinem Zimmer. Das war nett. Aber damals in Meremund schlief ich allein, mit einer Magd gleich vor der Tür.«
    »Das klingt … einsam.«
    »Ich weiß nicht. Vermutlich war es das.« Sie seufzte und lachte zugleich, ein so ulkiges Geräusch, dass Simon den Kopf hob. »Einmal konnte ich nicht einschlafen, darum ging ich zu meinem Vater ins Zimmer. Ich sagte ihm, es wäre ein Cockindrill unter meinem Bett, damit er mir erlaubte, bei ihm zu bleiben. Aber das war schon nach dem Tod meiner Mutter, darum gab er mir nur einen seiner Hunde mit und schickte mich wieder weg. ›Das ist ein Cockindrill-Hund, Miri‹, hat er mir erklärt. ›Auf mein Wort, das ist er. Er wird dich beschützen.‹ Er war immer ein schlechter Lügner. Der Hund blieb einfach an der Tür liegen und winselte so lange, bis ich ihn schließlich wieder hinausließ.«
    Simon wartete eine Zeitlang, bevor er seinerseits etwas sagte. Die Flammen warfen zuckende Schatten auf das Strohdach über ihren Köpfen. »Wie ist eigentlich Eure Mutter gestorben?«, fragte er endlich. »Niemand hat es mir je erzählt.«
    »Sie wurde von einem Pfeil getroffen.« Der Gedanke daran tat Miriamel immer noch weh, wenn auch nicht mehr so schlimm wie früher. »Mein Onkel Josua sollte sie zu meinem Vater bringen, der damals an der Grenze zum Wiesen-Thrithing für meinen Großvater kämpfte, während des Aufstands. Josuas Truppe wurde am helllichten Tag von einer weit überlegenen Schar von Thrithingmännern überrascht. Er schaffte es tatsächlich, ihnen den Weg freizukämpfen, aber verlor bei der Verteidigung meiner Mutter seine Hand. Ein verirrter Pfeil traf meine Mutter, und sie starb noch vor Sonnenuntergang.«
    »Das tut mir sehr leid.«
    Sie zuckte die Achseln, auch wenn er es nicht sehen konnte.
    »Es ist lange her. Ihr Verlust machte meinen Vater noch viel unglücklicher als mich. Er liebte sie so sehr. Ach, Simon, du kennst meinen Vater ja nur, wie er

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