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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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seinen warmen Atem an ihrer Wange. Es war ein seltsam friedliches Gefühl, zwischen all den Gefahren, die sie schon durchstanden hatten, und denen, die noch vor ihnen lagen, hier auszuruhen und Seite an Seite mit einem jungen Mann dem Gewitter zu lauschen.
    Simon bewegte sich. »Miriamel? Ist Euch kalt?«
    »Ein bisschen.«
    Er rückte noch näher, streckte den Arm aus und schob ihn unter ihren Nacken, wobei er sie so zu sich umdrehte, dass sie an seiner Brust lag und ihn mit dem ganzen Körper berührte. Sie fühlte sich gefangen, war aber ohne Furcht. Sein Mund presste sich an ihre Wange.
    »Miriamel …«, sagte er leise.
    »Sch.« Sie kuschelte sich an ihn. »Kein Wort.«
    So blieben sie eine ganze Weile liegen. Auf dem Dach prasselte der Regen. Von Zeit zu Zeit dröhnte in der Ferne der Donner wie die Trommel eines Riesen.
    Simon küsste ihre Wange. Miriamel fühlte seinen Bart, der sie am Kinn kitzelte, aber es kam ihr merkwürdigerweise so vor, als müsse das alles so sein, und sie wehrte sich nicht. Nun wandte er ganz leicht den Kopf, bis seine Lippen den ihren begegneten. Wieder grollte der Donner, nun schon weiter entfernt, ein Geräusch aus einer anderen Welt, einer anderen Zeit.
    Warum kann es nicht einfach so bleiben? , dachte Miriamel traurig. Warum ist alles immer so schwierig? Simon hatte auch den anderen Arm um sie gelegt, sanft, aber drängend, und nun lagen sie eng aneinandergeschmiegt, Körper an Körper. Sie fühlte seine mageren, kräftigen Arme und seine harte Brust an ihrem Leib und ihren Brüsten. Könnte doch die Zeit stillstehen!
    Simons Küsse wurden heftiger. Er hob den Kopf und vergrub das Gesicht in ihrem Haar.
    »Miriamel«, flüsterte er heiser.
    »Simon. Ach, Simon …« Sie wusste selbst nicht genau, was sie sich jetzt wünschte, aber sie wusste, dass es sie schon glücklich machte, ihn nur zu küssen, ihn nur zu umarmen.
    Sein Mund wanderte zu ihrem Hals und ließ sie erschauern. Es war wundervoll und erschreckend zugleich. Er war ein Junge, aber er war auch ein Mann. Miriamel machte sich ganz steif, aber er näherte sein Gesicht dem ihren und küsste sie, ein wenig ungeschickt, aber voller Feuer, etwas zu hart. Sie hob die Hand an seine bärtige Wange und besänftigte ihn, sodass ihre Lippen einander begegnen und sich berühren konnten, wie es sich gehörte – ach, so sanft!
    Und während sie ihren Atem teilten, strich seine Hand über ihr Gesicht, ihren Hals. Er berührte sie überall, wohin er reichen konnte, ohne dass die Wärme verlorenging, die zwischen ihnen glühte, ließ seine Finger über die Rundung ihrer Hüfte gleiten, seine Hand in der Höhlung unter ihrem Arm ruhen. Miriamel bekam eine Gänsehaut, und sie spürte ein heftiges Verlangen, sich fest an ihm zu reiben; zugleich aber fühlte sie sich sonderbar schlaff, als seien sie beide im Begriff, langsam zu ertrinken, in die dunklen Tiefen des Meeres hinabzusinken. Im Rauschen des Regens hörte sie ihr eigenes Herz schlagen.
    Simon schob sich weiter, bis er halb über ihr lag, und löste sich dann von ihr. Er ragte wie ein Schatten über ihr auf, fast ängstigte er sie. Sie streckte die Hand nach ihm aus und berührte seine Wange, das zarte Kratzen seines Bartes. Seine Lippen bewegten sich.
    »Miriamel, ich liebe Euch.«
    Miriamel stockte der Atem. Plötzlich lag ein kalter Stein in ihrem Magen. »Nein, Simon. Sag das nicht.«
    »Aber es ist wahr! Ich glaube, ich liebe Euch schon, seit ich Euchdas erste Mal gesehen habe, oben im Turm, mit der Sonne in Eurem Haar.«
    »Du kannst mich nicht lieben.« Sie wollte ihn fortschieben, fand aber nicht die Kraft dazu. »Du verstehst das nicht.«
    »Was meint Ihr?«
    »Du … du darfst mich nicht lieben. Es ist unrecht.«
    »Unrecht?«, versetzte Simon zornig. Sie spürte das Beben seines Körpers. Es war ein Zittern unterdrückter Wut. »Weil ich kein Adliger bin und nicht gut genug für eine Prinzessin – ist es das?« Er riss sich los und kniete im Stroh neben ihr. »Verflucht sei Euer Stolz, Miriamel! Ich habe mit einem Drachen gekämpft. Einem Drachen, einem richtigen Drachen. Ist Euch das nicht genug? Hättet Ihr lieber einen Mann wie Fengbald – einen M-M-Mörder, aber einen M-Mörder m-mit einem Titel?« Simon kämpfte mit den Tränen.
    Der unverhüllte Schmerz in seiner Stimme zerriss ihr das Herz.
    »Nein, Simon, das ist nicht der Grund. Ach, du hast ja keine Ahnung.«
    »Dann sagt es mir!«, fauchte er. »Sagt es mir, damit ich es verstehe.«
    »Es liegt nicht an

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