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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schwerter oder andere Dinge, die Ihr zur Führung dieses Krieges wissen müsstet. Ach, barmherziger Usires. Ach, Gott!« Wieder durchwühlte er sein dünnes, rotes Haar. »Verzeiht mir. Manchmal fällt es mir schwer, nicht zu vergessen, dass ich nur der Türhüter des Erlösers bin und dass nicht ich die Last tragen muss, sondern Gott. Ach ja … es fällt mir gerade jetzt sehr schwer …«
    Tiamak starrte ihn an. Sein Mitbruder im Bund der Schriftrolle sah aus, als hätten ihn rachsüchtige Geister heimgesucht. Der Wranna rückte näher an Strangyeard heran.
    »Ist das alles?«, fragte Josua enttäuscht. »Seid Ihr sicher, dass er nichts weiß, das uns nützen kann?«
    »Ich bin in allem unsicher, Prinz Josua, bis auf den tiefen Schmerz, der ihn quält«, erwiderte der Archivar leise, aber überraschend fest. »Aber ich halte es wirklich für nicht wahrscheinlich, und ich weiß genau, dass es über alle Maßen grausam wäre, diesen Mann zu weiteren Geständnissen zu zwingen – grausam nicht allein ihm selbst gegenüber.«
    »Nicht allein ihm selbst gegenüber?«, fragte Isgrimnur verblüfft. »Wieso?«
    »Nichts mehr davon, ich bitte Euch.« Strangyeard klang beinah zornig – etwas, das Tiamak nicht für möglich gehalten hätte. »Ich habe Euch gesagt, was Ihr wissen musstet. Jetzt würde ich gern gehen.«
    Josua betrachtete ihn bestürzt. »Natürlich, Vater Strangyeard.«
    Der Priester nickte. »Möge Gott uns alle behüten.«
    Tiamak folgte ihm nach draußen. »Kann ich etwas für Euch tun? Vielleicht ein Stück mit Euch gehen?«
    Der Archivar zauderte und nickte dann. »Ja. Das wäre sehr freundlich.«
    Camaris stand nicht mehr dort, wo sie ihn zuletzt gesehen hatten. Vergeblich blickte Tiamak sich nach ihm um.
    Als sie eine Strecke den Hügel hinuntergegangen waren, bemerkte Strangyeard sinnend: »Ich kann jetzt verstehen, warum jemand trinkt, um zu vergessen. Ich finde die Vorstellung im Moment selbst sehr … verlockend.«
    Tiamak hob eine Braue, schwieg aber.
    »Vielleicht sind Trunkenheit und Schlaf die einzigen Auswege, die Gott uns gegeben hat, um zu vergessen«, fuhr Strangyeard fort. »Und Vergessen ist manchmal das einzige Heilmittel gegen den Schmerz.«
    Tiamak dachte nach. »So gesehen, hat Camaris vierzig Jahre lang geschlafen.«
    »Und wir haben ihn aufgeweckt.« Strangyeard lächelte traurig. »Oder besser gesagt, Gott ließ zu, dass wir ihn aufweckten. Vielleicht gibt es doch einen Grund für das alles … vielleicht wird außer großem Leid doch noch etwas anderes dabei herauskommen.«
    Es hörte sich nicht an, fand der Wranna, als ob Strangyeard selbst daran glaubte.

    Guthwulf blieb stehen und ließ den Luftzug über sich hinströmen, um herauszufinden, welcher der Gänge aufwärts führte – denn das Schwert sang ihn nach oben. Seine Nasenlöcher zuckten, als er versuchte, aus der feuchten Tunnelluft wenigstens einen winzigen Hinweis herauszuwittern, welche Richtung er einschlagen sollte. Suchend glitten seine Finger wie Krebse über die steinernen Wände auf beiden Seiten, hin und her, hin und her.
    Wieder drang die körperlose, fremde Sprache auf ihn ein, Worte, die er mehr spürte als hörte. Er schüttelte den Kopf, um sie aus seinem Hirn zu verjagen. Es waren Geister, das wusste er inzwischen, aber sie konnten ihm nichts anhaben, ihn nicht berühren. Die zwitschernden Stimmen hinderten ihn nur daran, zu hören, was er eigentlich hören wollte. Es gab sie nicht wirklich. Wirklich war nur das Schwert, das ihn rief.
     
    Schon seit einigen Tagen spürte er wieder seine Anziehungskraft.
    Als er wie so oft in der Verwirrung seiner blinden Einsamkeit erwachte, war ihm der dünne Faden einer unwiderstehlichen Melodie aus dem Schlaf in die Schwärze des Wachens hinein gefolgt. Es war mehr als einer seiner üblichen, elenden Träume gewesen – ein starkes Gefühl, furchteinflößend und angenehm vertraut zugleich, ein Lied ohne Worte, das in seinem Kopf nachhallte und sehnsüchtige Fühler nach ihm ausstreckte. Der Sog war so mächtig, dass Guthwulf sich hastig und unbeholfen aufrappelte, begierig wie ein junger Bursche, den seine Liebste ruft. Das Schwert! Es war zurückgekehrt, war ganz nah!
    Erst als die letzten, klebrigen Reste seines Schlummers von ihm abfielen, dachte er daran, dass das Schwert nicht allein war.
    Es war nie allein. Es gehörte Elias, seinem einstigen Freund, der jetzt sein erbitterter Feind war. Und so sehr sich Guthwulf auch nach der Nähe der Klinge sehnte, um sich

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