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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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in ihrem Lied zu baden wie in der Wärme eines Feuers, wusste er doch, dass er vorsichtig sein musste. So armselig sein jetziges Dasein auch war, er zog es dem vor, was Elias ihm antun würde, wenn man ihn fing, oder noch schlimmer, was Elias jener Schlange Pryrates erlauben würde, ihm zuzufügen.
    Nie kam ihm der Gedanke, dass es am einfachsten wäre, das Schwert gar nicht mehr zu beachten. Für ihn war der Gesang der Klinge wie das Plätschern eines Baches für den verdurstenden Wanderer – es lockte ihn, und er hatte keine andere Wahl, als dem Ruf zu folgen.
    Trotzdem blieb ihm ein gewisser tierischer Instinkt. Während er sich durch die inzwischen wohlvertrauten Tunnel tastete, war ihm klar, dass er Elias und das Schwert nicht allein finden, sondern sich ihnen auch auf eine Art nähern musste, die nicht zu Entdeckung und Gefangennahme führte – so, wie es ihm damals gelungen war, den König von einem Felsvorsprung über der großen Schmiedehöhle zu belauschen. Deshalb gehorchte er zwar der unwiderstehlichen Aufforderung des Schwertes, hielt dabei aber den größtmöglichen Abstand ein, wie ein Falke, der seinen Herrn an langer Leine umkreist. Die Anstrengung, dem letzten Zug zu widerstehen, trieb ihn fast in den Wahnsinn. Am ersten Tag, als er dem Schwert folgte, vergaß Guthwulf sogar, den Ort aufzusuchen, an dem die Frau ihm immer etwas zu essen hinstellte. Am zweiten Tag – wobei ein Tag für den blinden Grafen von Utanyeat stets alles das umfasste, was zwischen einem Schlaf und dem nächsten lag – pochte der Ruf des Schwertes in ihm wie ein zweiter Herzschlag und hatte die Erinnerung daran, dass es überhaupt einen solchen Ort gab, fast ausgelöscht. Er aß, was seine tastenden Hände an kriechendem Getier fanden, und trank Wasser aus jedem fließenden Rinnsal, das ihm begegnete. In seinen ersten Wochen in den Tunneln hatte er gelernt, was geschah, wenn er seinen Durst aus stehenden Tümpeln löschte.
    Jetzt, nach drei Schlafzeiten voller Schwertträume, hatte er allebekannten Gänge weit hinter sich gelassen. Die Steine unter seinen Händen hatten seine Berührung vorher nie gespürt, die Tunnel waren ihm bis auf die unvermeidlichen Geisterstimmen und die ebenso unvermeidliche Anziehung des Großen Schwertes vollständig fremd.
    Er hatte eine vage Vorstellung davon, wie lange er diesmal schon nach dem Schwert suchte, und fragte sich in einem seltenen lichten Augenblick, warum sich der König so lange an den verborgenen Orten unter der Burg aufhielt.
    Plötzlich kam ihm ein wilder, wundervoller Einfall.
    Er hat das Schwert verloren! Er hat es irgendwo hier unten verloren, und nun liegt es da und wartet auf den, der es findet! Es wartet auf mich! Auf mich!
    Er merkte nicht einmal, dass ihm der Speichel in den staubigen Bart lief. Der Gedanke daran, das Schwert ganz für sich allein zu besitzen – es zu berühren, ihm zu lauschen, es zu lieben und anzubeten –, war so grausig und beseligend, dass er nur noch ein paar Schritte ging und dann zu Boden stürzte, wo er zitternd liegen blieb, bis ihm die Sinne schwanden.
     
    Als er wieder zu sich gekommen war, stand Guthwulf auf und wanderte weiter. Dann schlief er und erwachte von neuem. Nun stand er vor einer Gabelung des Tunnels und versuchte herauszufinden, welcher der beiden Wege ihn aufwärts führen würde. Irgendwie wusste er, dass das Schwert sich über ihm befand, so wie ein Maulwurf unter der Erde weiß, in welcher Richtung er sich ans Tageslicht wühlen muss. In anderen lichten Momenten hatte er sich Sorgen darüber gemacht, dass das Lied des Schwertes vielleicht einen so großen Einfluss auf ihn haben könnte, dass er ihm bis ganz nach oben folgen müsste, hinauf in den Thronsaal des Königs, wo man ihn ergreifen und zerfleischen würde wie einen Maulwurf, der sich von unten in den Hundezwinger durchgegraben hat.
    Aber obwohl er sich stetig aufwärts gehalten hatte, kam er doch von sehr tief unten und war sicher, dass er noch nicht so weit hinaufgelangt war, wie er zunächst befürchtet hatte. Er war außerdem überzeugt, dass ihn sein Weg immer weiter nach außen geführthatte, weg vom Kern der Burg. Nein, das wunderschöne, schreckliche Ding, das ihn so anzog, die lebendige, singende Klinge, musste hier unter der Erde liegen, eingesargt in Stein wie er selbst. Und wenn er sie erst fand, würde er nie mehr einsam sein. Er musste sich nur entschließen, welchem der beiden Tunnel er folgen wollte …
    Guthwulf hob die Hände und rieb sich

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