Der Engländer
dachte nicht daran, das Rossetti anzuvertrauen. Er wickelte beide Waffen wieder ein und legte sie mitsamt den Reservemagazinen und Patronenschachteln sorgfältig in seinen eigenen Aktenkoffer.
»Brauchen Sie sonst noch etwas?«
Als der Berufskiller den Kopf schüttelte, begann Rossetti, auf einem kleinen Notizblock den Gesamtbetrag auszurechnen: Waffen, die Konzertkarte, persönlich erbrachte Dienstleistungen. Als er den Betrag in Euro ermittelt hatte, schob er dem Engländer den Block mit dem unterstrichenen Endbetrag hin. Der Killer sah erst die Zahl, dann Rossetti an.
»Kann ich mit Dollar zahlen?«
Rossetti lächelte, dann rechnete er den Betrag zum Tageskurs in Dollar um. Der Engländer zählte ihn in druckfrischen Fünfzigern ab und legte fünfhundert Dollar als Bonus darauf.
Signor Rossetti zuckte mit den Schultern, als wollte er sagen, ein Bonus sei nicht nötig, aber der Killer bestand darauf, und Rossetti steckte das Geld diskret ein.
Unten verließen Rossetti und der Engländer gemeinsam den Laden, und der Juwelier sperrte hinter ihnen ab. Ein Wolkenbruch empfing sie: Gewaltige Ströme von Regen, die in die kleine Gasse fielen und als Sturzbäche in die Gullys liefen.
Der Italiener hatte klugerweise wadenhohe Gummistiefel angezogen; der Engländer mit seinen Wildlederslippern mußte versuchen, über die größten Pfützen zu springen. Das amüsierte den venezianischen Juwelier.
»Sie sind zum erstenmal in Venedig.«
»Ja, leider.«
»So ist das Wetter nun schon seit über zwei Wochen, aber die Touristen kommen trotzdem noch. Wir brauchen sie - Gott weiß, daß ich ohne sie mein Geschäft zumachen könnte - doch manchmal wird ihr Ansturm selbst mir zuviel.«
An einer Vaporetto -Haltestelle gaben sie sich die Hand.
»Ich muß sagen, daß ich Ihren Auftrag schrecklich finde, aber Sie müssen tun, wofür Sie bezahlt werden, nehme ich an. Eine Geigerin…« Er hob die Hände in einer typisch italienischen Geste. »…eine Geigerin läßt sich ersetzen. Aber die Tintorettos… die Tintorettos sind unersetzlich. Bitte, ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich bei ihrer Zerstörung eine Rolle gespielt hätte.«
»Ich versichere Ihnen, Signor Rossetti, daß ich mir größte Mühe geben werde, sie möglichst nicht zu beschädigen.«
Der Italiener lächelte. »Ich vertraue darauf, daß Sie das tun werden. Können Sie sich außerdem vorstellen, welcher Fluch einen Mann verfolgen würde, der den Heiland oder die Muttergottes mit einer Kugel durchlöchert?«
Der Juwelier bekreuzigte sich; dann wandte er sich ab und verschwand in der nächsten Gasse.
37 - VENEDIG
An diesem Nachmittag versammelte Gabriels Team sich im Wohnzimmer von Anne Rolfes Suite. Die Angehörigen des Teams waren auf unterschiedlichen Routen, mit Reisepässen verschiedener Staaten und mit unterschiedlichen Legenden nach Venedig gekommen. Nach einem bewährten Prinzip des Dienstes gaben sie sich alle als Paare aus. Ihr Unternehmen war so hastig ausgearbeitet und in die Tat umgesetzt worden, daß es nicht einmal einen richtigen Decknamen bekommen hatte. Da Anna hier die Giorgione-Suite bewohnte, übernahm Gabriels Team in Venedig den Namen dieses berühmten venezianischen Malers als Decknamen. Zu dem Team gehörten Schimon und Ilana. In ihrer Rolle als französisches Paar auf der Hochzeitsreise waren sie von der Côte d'Azur mit dem Auto nach Venedig gefahren. Die beiden hatten schwarze Augen und einen dunklen Teint; sie waren gleich groß und fast gleich schön. Sie waren miteinander auf der Geheimdienstakademie gewesen, aber ihre Beziehung wäre beinahe zerbrochen, als Ilana auf dem Schießstand besser als Schimon war und ihm beim Kung-Fu-Training in der Turnhalle ein Schlüsselbein brach. Ebenfalls dazugehörten Itzhak und Mosche. Als Konzession an den Zeitgeist, der neue Beziehungsarten tolerierte, gaben die beiden sich als schwules Paar aus dem Londoner Stadtteil Notting Hill aus, obwohl sie durchaus heterosexuell waren - Itzhak sogar ein ausgesprochener Schürzenjäger.
Dann kam Deborah von ihrer Station im kanadischen Ottawa.
Gabriel hatte während des Unternehmens gegen Tariq mit ihr zusammengearbeitet und war so von ihrer Leistung beeindruckt gewesen, daß er darauf bestand, sie für sein Team in Venedig anzufordern. Schamron hatte zunächst gemauert, aber als
Gabriel nicht lockerließ, hatte der Alte sie mit dem nächsten Flugzeug kommen la ssen und ihrem Sektionschef eine plausible Lüge vorgesetzt.
Neben ihr auf dem
Weitere Kostenlose Bücher