Der Engländer
überlassen Sterbende solche Dinge im allgemeinen ihren Erben.«
»Sie haben also den Verdacht gehegt, Rolfe könnte beabsichtigen, die Gemälde zurückzugeben?«
»Oder Schlimmeres.«
»Was könnte schlimmer sein?«
»Ein öffentliches Geständnis in bezug auf seine engen Beziehungen zu Nazibonzen und deutschen Abwehroffizieren.
Können Sie sich vorstellen, was für ein Spektakel dieses Eingeständnis ausgelöst hätte? Es wäre wie ein Orkan über unser Land hinweggefegt. Es hätte die Kontroverse um ruhende Bankkonten als Sturm im Wasserglas erscheinen lassen.«
»War das alles, was der Rat befürchtet hat?«
»Reicht das denn nicht aus?«
Gabriel hörte jedoch nicht Gerhardt Peterson, sondern Augustus Rolfe zu: Diese Männer habe ich einst für Freunde gehalten - ein weiterer meiner vielen Fehler.
»Die anderen hatten Angst, Rolfe würde die Existenz des Rats preisgeben. Er wußte von dem Rat, weil er Mitglied war, nicht wahr?«
»Rolfe? Er war nicht nur Mitglied des Rats, sondern eines der Gründungsmitglieder.«
»Sie haben ihn also aufgesucht?«
»Ich erzählte ihm, daß mir verschiedene Dinge zu Ohren gekommen seien - nichts Spezifisches, verstehen Sie, alles sehr subtil. Rolfe war zwar alt, aber sein Verstand war noch immer hellwach, und er wußte genau, was ich ihm zu sagen versuchte.
Er war schließlich ein Schweizer Bankier, verdammt noch mal!
Er wußte, wie man Gespräche mit doppeltem Boden führt. Als ich die Villa verließ, war ich der Überzeugung, daß der Rat vor großen Problemen steht.«
»Was haben Sie daraufhin getan?«
»Ich habe auf Plan B zurückgegriffen.«
»Und der wäre?«
»Die Scheißbilder zu klauen. Keine Gemälde, keine Story.«
Peterson weigerte sich, ohne eine Zigarette weiterzureden, und Gabriel gab widerstrebend nach. Er schlug wieder mit der Handfläche an die Wand, und Oded steckte wieder seinen Kopf zur Tür herein. Oded bot Peterson eine Zigarette aus seiner eigenen Schachtel an. Als er ihm dann Feuer geben wollte, zuckte Peterson so heftig zurück, daß er fast vom Stuhl gefallen wäre. Oded bog sich vor Lache n, als er hinausging. Peterson zog vorsichtig an der Zigarette, als fürchte er, sie könnte vor seinem Gesicht explodieren, und Gabriel hob alle paar Sekunden eine Hand, um den Rauch wegzuwedeln.
»Erzählen Sie mir von Werner Müller«, verlangte Gabriel.
»Er hat eine Schlüsselrolle gespielt. Wollten wir an Rolfes Geheimsammlung herankommen, brauchten wir Müllers Hilfe.
Müller hatte die raffinierte Alarmanlage entworfen, mit der die Sammlung gesichert war. Also habe ich meine Leute alles ausgraben lassen, was sich an belastendem Material über Müller finden ließ. Auch Werner Müller hatte keine blütenweiße Weste ss- aber die hat wohl keiner von uns, stimmt's?« Als Gabriel sich nicht dazu äußerte, fuhr Peterson fort: »Ich bin nach Paris gereist, um mit Müller zu plaudern. Natürlich war er gern bereit, für unsere Sache zu arbeiten.«
Peterson rauchte seine Zigarette bis fast zum Filter auf, dann drückte er sie mürrisch in dem leeren Suppenteller aus.
»Unser Einbruch wurde für die folgende Nacht vorbereitet.
Rolfe mußte geschäftlich nach Genf und wollte in seiner dortigen Wohnung übernachten. Der Restaurator sollte am nächsten Morgen eintreffen. Das Team ist in die Villa eingedrungen, und Müller hat es ins Schatzgewölbe geführt.«
»Haben Sie zu dem Team gehört?«
»Nein, ich hatte lediglich dafür zu sorgen, daß nicht etwa die Züricher Polizei aufkreuzt, wenn die Gemälde abtransportiert werden.«
»Bitte weiter.«
»Müller hat die Alarmanlage stillgelegt und die Kameras abgeschaltet. Dann sind sie in die unterirdische Galerie eingedrungen - und wen treffen sie dort an?«
»Augustus Rolfe.«
»Höchstpersönlich. Es ist drei Uhr morgens, und der Alte sitzt dort inmitten seiner Scheißbilder. Müller gerät in Panik. Die Einbrecher kennt Rolfe nicht, aber Müller und der Alte sind seit langem Geschäftsfreunde. Geht der Alte jetzt zur Polizei, bleibt alles an Müller hängen. Also reißt er einem der Männer des Teams, das der Rat entsandt hat, die Pistole weg, treibt den Alten vor sich her nach oben in den Salon und jagt ihm eine Kugel durch den Kopf.«
»Sechs Stunden später bin ich aufgekreuzt.«
Peterson nickte. »Die Leiche hat uns Gelegenheit gegeben, die Echtheit des Restaurators zu testen. Entdeckt er den Toten und verständigt die Polizei, ist er wahrscheinlich wirklich nur ein Restaurator.
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