Der Engländer
sehen konnte.
»Sie ist sehr photogen, finden Sie nicht auch, Gerhardt? Du meine Güte, hier scheinen Sie sich großartig zu amüsieren. Und sehen Sie sich diese Aufnahme an! Die möchte ich Ihrer Frau nicht erklären müssen. Und den Medien. Und Ihrem Minister in Bern.«
»Sie schäbiger kleiner Erpresser! Diese gestellten Photos nimmt Ihnen kein Mensch ab. Jeder erkennt sie sofort als billige Fälschungen eines billigen Erpressers. Aber Erpressung und Mord sind die in Ihrem Dienst üblichen Methoden, nicht wahr? Darauf verstehen Sie sich wirklich.«
Gabriel ließ die Photos offen sichtbar auf dem Tisch liegen.
Peterson bemühte sich tapfer, sie nicht anzustarren.
»Das wollen Sie also Ihrer Frau und Ihren Vorgesetzten erzählen? Daß Sie das unschuldige Opfer von Erpressern sind? Daß der israelische Geheimdienst sie entführt und unter Drogen gesetzt hat? Wissen Sie, was Ihre Vorgesetzten Sie fragen werden? Sie werden sagen: ›Wieso hat der israelische Geheimdienst sich ausgerechnet Sie vorgeknöpft, Gerhardt? Was haben Sie getan, um diese Behandlung zu verdienen? ‹ Und Sie werden darauf antworten müssen.«
»Kein Problem.«
»Wissen Sie das bestimmt? Das dürfte schwieriger werden, als Sie denken, weil einige der angesehensten Zeitungen der Welt täglich weitere interessante Details dieser Geschichte ausgraben werden. Das ist dann wie eine Wasserfolter, wenn Sie den Ausdruck entschuldigen wollen. Sie persönlich werden überleben, aber mit Ihrer Karriere ist Schluß. Ihr Traum, eines Tages das Justiz-und Polizeidepartement zu leiten, wird genau das bleiben - ein Traum. Die Politik bleibt Ihnen versperrt. Die Wirtschaft ebenfalls. Glauben Sie, daß Ihre Freunde aus dem Bankensektor Ihnen zu Hilfe kommen werden? Nein, das bezweifle ich, denn Sie haben ihnen nichts mehr zu bieten.
Stellen Sie sich das vor: keine Arbeit, keine Pension, keine finanzielle Unterstützung durch Ihre Freunde.«
Gabriel machte eine Pause, schlug das Dossier erneut auf und nahm ein weiteres halbes Dutzend Photos heraus:
Überwachungsaufnahmen von Petersons Frau und seinen Kindern. Er legte sie bedächtig neben die Photos, die Peterson mit der Schwarzhaarigen zeigten.
»Wer wird für Ihre Frau sorgen? Wer wird für Ihre Kinder sorgen? Wer wird die Miete für Ihre Luxuswohnung mit Blick über den Zürichsee zahlen? Wer wird die Leasingraten für Ihren großen Mercedes übernehmen? Recht unerfreuliche Vorstellungen, nicht wahr, aber so braucht es nicht zu kommen.
Ich mag keine Mörder, Gerhardt, vor allem nicht, wenn sie im Auftrag einer Bank morden, aber ich biete Ihnen trotzdem einen Ausweg. Ich rate Ihnen, mein Angebot anzunehmen, bevor es zu spät ist.«
»Was wollen Sie von mir?«
»Sie arbeiten ab sofort für mich.«
»Ausgeschlossen!«
»Sie helfen mir, Rolfes Gemälde zurückzuholen.« Gabriel zögerte, weil er damit rechnete, daß Peterson leugnen würde, von irgendwelchen Gemälden zu wissen, aber diesmal blieb der erwartete Widerspruch aus. »Wir gehen durchaus diskret vor - eben nach Schweizer Art. Danach helfen Sie mir, weitere Dinge zurückzuholen. Sie helfen mir, ein trauriges Kapitel der Schweize r Geschichte zu korrigieren. Gemeinsam können wir Berge versetzen, Gerhardt!«
»Und wenn ich mich weigere?«
»Sie können mit meinem Freund in den Keller zurückgehen und darüber nachdenken. Anschließend reden wir weiter.«
»Tun Sie diese verdammten Photos weg!«
»Sagen Sie mir, wofür Sie sich entscheiden, dann tue ich sie weg.«
»Sie begreifen anscheinend nicht, daß ich so oder so erledigt bin. Die Frage ist nur, für welchen Giftbecher ich mich entscheide.« Peterson ließ den Kopf sinken und schloß die Augen. »Ich habe Durst.«
»Beantworten Sie meine Fragen, dann hole ich Ihnen etwas zu trinken.«
Auf dem Gang außerhalb des Raums hockte Eli Lavon auf dem kalten Fußboden, lehnte mit dem Rücken an der Wand und hielt die Augen geschlossen. Nur seine rechte Hand verriet, welcher Aufruhr in seinem Inneren herrschte. Sie hielt krampfhaft sein Feuerzeug umklammert. Obwohl Lavon in Wien lebte, sträubten sich ihm beim Klang einer Männerstimme, die zornig deutsche Sätze brüllte, noch immer die Nackenhaare.
Einzelne Risse waren schon da, aber Petersons Widerstand war noch nicht gebrochen. Trotzdem wußte Lavon, daß er nicht mehr lange durchhalten würde. Die Drogen, das Eiswasser, die kompromittierenden Photos… die Angst davor, was hinter der nächsten Straßenecke auf ihn warten mochte.
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